Wolfram Benz
"Jetzt wolln mir eins singen"
Handschriftliche Liedersammlung
aus Happareute im Westallgäu
von 1845, 1879 und 1914
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Teil 3
Scherzlieder
Viele der lustigen Lieder haben das ewig junge Thema derLiebe
mit all ihren Schwächen und Besonderheiten zum Inhalt, wie folgendes
Beispiel zeigt:
A Wurst ohne Haut,
a Rindfleisch ohne Kraut,
a Hund ohne Schwanz
ist wie a Jungfrau ohne Kranz.
Gehen die Maderl auf der Straß,
wenn's regnet wird alls naß,
hebens d'Röckerl nauf auf d'Höh,
daß man kann die Wadel sehn.
Eine junge Frau
geht nach dem Ball nach Haus,
doch bevor sie liegt im Bett,
legt sie alles Falsche weg:
die falschen Zähn und Haar,
den Gummibusen zuletzt gar.
Darauf schreit der Mann:
"Herz jöh, da bleibt mir gar nix mehr!"19
Als einfacher Spruch steht folgende Bemerkung:
Wer Äpfel schütt' und sie nicht ißt,
beim Schätzchen liegt und sie nicht küßt
und sitzt beim Wein und schenkt nicht ein,
der muß ein rechter Dummkopf sein.20
Ein echter Vierzeiler oder Schnadahüpfl ist der Spruch von Martin
Mader selbst (Juni 1995)
A Kölnisch Wasser brauchen's
draußen auf dem Land nie,
da riechen's die Dirndel
recht guet von de Küeh.
Ebenso stammt noch von ihm der Zungenbrecher, der als Refrain zu werten
ist im Zusammenhang mit gesungenen Schnadahüpfln. Martin Mader jedoch
begann mit dem Refrain:
Holzäpfeljockel, Dampfbairaknödel,
beißt mir dr Buckel, scherr mit de Nägel.
Zottlig isch dr Pudel, kranzet isch dr Bär,
schene Mädel kommet's her.21
Ufm Heubode han i tanzt
mit dr Jungfer Braut vom Dudelhans,
Schnurreseppl mit der schöne Gretel
mit dem Vogeljust, mit dem Hanswurst.
Eine andere Version dieses Refrains ist aus Eglofstal aufgezeichnet, keine
3 km von Happareute entfernt:
Holzäpfeljockel, Tannezapfegretel,
beißt mi der Buckel, kratz i mit de Nägel,
haarig isch dr Pudel, zottig isch dr Bär,
Kellnermädel kömmscht her!22
Damit wird deutlich, wie diese Lieder aus dem letzten Jahrhundert nur eine
Momentaufnahme der damaligen Zeit sein können. Lebendige Lieder haben
sich weiterentwickelt und verändert, mit Text und Noten festgehaltene
Lieder sind oftmals erstarrt. Trotzdem wäre für eine Wiederbelebung
das Festhalten einer Melodie sehr förderlich gewesen.
Geselligkeit
Von den geselligen Liedern zum Trinken und gemeinsamen Lustigsein
paßt das folgende sicher gut auch heute noch an den Wirtshaustisch:
Trinkers letzter Wille
Brüder, wann ich nicht mehr trinke
und lieg an Gicht und Bodegra
und auf mein Krankenlager sinke,
so glaub, es ist mein Ende da.
Sterbe ich heute oder morgen,
so ist mein Testament gemacht,
für mein Begräbnis müßt ihr sorgen
ohne Glanz und ohne Pracht.
|
Im Keller müßt ihr mich begraben,
weil ich so manches Faß geleert.
Den Kopf muß ich beim Hopfen haben,
die Füße nach der Wand gekehrt.
Für meinen Sarg dürft nicht mehr sorgen,
legt mich in ein kühles Faß,
anstatt Zitronen(?) in die Hände
reicht mir ein volles Branntweinglas.
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Schließlich stellt sich der Trinker den Himmel (4 weitere Strophen)
vor, allwo es nichts zu trinken gibt ... und denkt an die Welt zurück.23
Bei diesem Lied überrascht die inhaltliche Nähe zum
französischen Ritter der Tafelrunde, der ebenfalls in einem Faß
im Keller begraben sein möchte. Es ist sprachlich so gewandt, daß
es von einem bedeutenden Dichter stammen könnte. Wie es nach Happareute
gelangte, bleibt ungeklärt.
Heimat
Fünf dieser Lieder erzählen vom schönen Tirolerland,
darunter sogar eines mit einem Jodler: "Ein Gruß vom Sänger
aus Tirol sei freundlich allen dargebracht." Ein anderes bekennt: "An
der Donau Strand ist mein Vaterland, lieb's von ganzer Seele." Beispielhaft
sei das Heimwehlied vom Schweizer Deserteur vorgestellt:
Zu Straßburg auf der auf der langen Bruck,
da stand ich eines Tags,
nach Süden wand ich meinen Blick,
ein dunkler Nebel lag.
Da dacht ich mir:
"Da hinten liegt in wunderbarem Reiz
mit seinen Alpen seinen Höhn,
mein Vaterland, die Schweiz."
Und wie ich stand und wie ich sann,
da ging ein Knab vorbei.
Er blies ins traute Alpenhorn
der Heimat Melodei.
Da ward mir kalt und wieder warm,
rasch sprang ich in die Flut,
den Rhein hinab mit starkem Arm
schwamm ich mit frischem Mut.
Der heimwehkranke Deserteur wird daraufhin gefaßt und und bittet
vor seinem Erschießungskommando:
Blast mir das Alpenhorn nochmal
mit wunderbarem Reiz
und grüßt mir noch viel tausendmal
mein Vaterland, die Schweiz.24
Dies allgemein in verschiedensten Varianten bekannte Lied beginnt auch
oft mit: "Zu Straßburg auf der Schanz." Die Echtheit als altes
Volkslied wird allerdings bezweifelt, habe doch Brentano bei seiner Wunderhorn-Sammlung
(1805) selbst die sentimentale Alphorngeschichte eingefügt. - Kein
einziges Heimatlied besingt das eigene Westallgäu oder steht in Mundart.
Fußnoten:
19 Buch II, Nr. 47
20 Buch I, Nr. 52
21 Musik-Kassette MC 17, Nr.
7
22 Fini Habersetzer, Februar
1996
23 Buch I, Nr. 10 - Beliebtes
Kommerslied; in Celle schon 1767 gedruckt; Erk/Böhme (1894) Nr. 352;
Oberschefflenzer Volkslieder (1893) Nr. 163
24 Buch II, Nr. 31
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