Die Musik an den oberschwäbischen Adelshäusern
Mittelalter
Besonderer Luxus war auf den Burgen des
Mittelalters nicht anzutreffen, doch wussten die Adeligen auch hinter
den dicken, kalten Mauern ihre Feste zu feiern. Zeugnisse von der
damaligen Musikkultur sind jedoch hin und wieder anzutreffen, auch wenn
die Notation der Melodien fehlen. Hier finden die Minnesänger
Erwähnung, so auch schon bei Welf IV. (ca 1115 -1191), dem letzten der
oberschwäbischen Welfen auf der Ravensburg. Er war ein Freund
glanzvoller Hoffeste, bei denen schöne Frauen und Musik nicht fehlen
durften. Walther von der Vogelweide oder der Tannhäuser kehrten nach
eigenen Aussagen dort gerne ein und rühmten dessen großzügige
Freigiebigkeit.1
Schenk Ulrich von
Winterstetten, Abb.1
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Einen oberschwäbischen Minnesänger
kennen wir in Schenk Ulrich von Schmalegg-Winterstetten.
Die Geburts- und Sterbedaten dieses 1241 urkundlich zuerst bezeugten,
um 1250 wirkenden Lied- und Leichkomponisten sind unbekannt. Ulrich ist
urkundlich ferner 1257 bezeugt, 1258 in Augsburg, 1265 als Pfarrherr zu
Biberach und 1280 zuletzt in einer Konstanzer Urkunde. Er entstammte
einem angesehenen oberschwäbischen Ministerialengeschlecht und wuchs
als Enkel des erst 1243 verstorbenen, politisch einflussreichen
bedeutenden Schenken und kaiserlichen Landvogts Konrad von
Winterstetten auf. Erhalten sind fünf Leiche (=besondere
mittelalterliche, erzählende Liedform) und vierzig Lieder in relativ
guter Textüberlieferung. Neben den Klassikern des Minnesangs ist Ulrich
vor allem so gegensätzlichen Vorbildern wie Neidhart, Lichtenstein und
Neifen verpflichtet. Er beherrscht den konventionellen Ton des
Minneliedes, stattet es aber mit formal neuen Zügen aus.2
Freud und Leid der Liebe
sind seine Themen, die er in der ganzen Breite von empfindsamer
Lyrik bis zu derb-erotischen Anspielungen besingt.1 |
Er hat wohl großen Erfolg damit gehabt,
wie er selbst in einer Strophe dichtete: "schenken lieder hant dich
us dien sinnen braht". Sogar als "Walzerkönig des Mittelalters"
wurde er bezeichnet.
Von Graf Hugo von
Montfort (geb.1357 in Bregenz, † 1423), auch
Dichter und Sänger, sind 11 Lieder, 8 mit Melodie erhalten.
Allerdings ließ er seine Verse von seinem Spielmann Bürk Mangolt
aufschreiben. Er war dreimal mit steirischen Frauen verheiratet. Bei ihm trat an
die Stelle der "geminnten", fremden Dame die eigene, geliebte Frau,
womit sich die Wandlung des Minnesangs eher zur Realität
andeutet. Das bürgerliche Lied wurde mit ihm
vorbereitet.
Renaissance
verschiedene Geigenarten von der Taschengeige bis zur "Tenor-Geig",
das "Trumscheidt" in der Mitte - auch als Nonnentrompete
bekannt, daneben das kürzere Scheitholz, Abb. 2
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Um 1500,
bei Beginn der Neuzeit - Amerika war entdeckt, nahm die Kunst
einen ungeheuren Aufschwung. Das Instrumentarium wurde
entscheidend weiter entwickelt. Der Kavalier sollte im
Lautespielen so versiert sein wie im Degenfechten, die Dame im
Canzonetten singen wie beim Sticken. Die Erfindung des Notendrucks
mit beweglichen Typen beschleunigte den Notenaustausch. Belege dazu
sind allerdings spärlich überliefert. Die
Kriegszeiten und der radikale Einschnitt der Auflösung der vielen
Adelsherrschaften zu Beginn des 19. Jahrhunderts haben sicher vieles
davon vernichtet.
Das aufstrebende Bürgertum in den
Städten wetteiferte in seinem Instrumentarium mit dem Adel, Auch
die Vokalmusik gestaltete sich ähnlich. Vom volkstümlichen
Akkordsatz bis zur polyphonen Imitation und bildkräftiger
Tonmalerei, vom derben Bauernliedchen bis zum kunstvollen Madrigal
oder zum eleganten Chanson. Das Musikgut wanderte durch
Europa, und Lieder mit den jeweiligen Schwerpunkten der Herkunft
sind zu erkennen: Aus Italien Wohllaut und Schmerz, aus Frankreich
erotisch-sentimental, aus Deutschland herb und innerlich.3
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Barock
"Die
Schlösser Oberschwabens bilden den zweiten Blickfang der
oberschwäbischen Barocklandschaft.
Obwohl die großen Adelshäuser Oberschwabens im Gegensatz zu den
Klöstern ununterbrochen bewohnt waren und sind, ist die Musik, die hier
einst erklang, einem fast noch radikaleren Vergessen
anheimgefallen. Dabei liegen auch in der adligen Hofmusik manche
verborgenen Wurzeln unserer oberschwäbischen Blaskapellen.
Ähnlich wie im Bereich der klösterlichen Kultur brauchten die
oberschwäbischen
Adelshäuser mehrere Jahrzehnte, bis sie sich von den katastrophalen
Auswirkungen des 30jährigen Krieges erholen konnten. Erst zwischen 1720
und 1780 erreichte deshalb die höfische - parallel zur kirchlichen
Barockkunst in Oberschwaben ihren Höhepunkt.
Aus dieser Zeit sind denn auch Notenbestände der Schlösser
Wolfegg, Zeil und Wurzach erhalten, die uns eine ungefähre
Vorstellung davon geben, was damals in den Adelshäusern musiziert
wurde.
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Schloss Zeil um
1840 (Ausschnitt), Abb.3
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Die Noten - falls noch vorhanden - sind ja heutzutage oft noch die
letzten Zeugen längst verklungener Zeiten. Wählt man das
Schloss von Wurzach als Beispiel, so ersteht im Geiste etwas von der
einstigen Bedeutung dieses Schlosses und der dort lebenden Familie von
Waldburg-Zeil-Wurzach. Die Grafen verwirklichten zwar nicht alle Pläne
ihres gigantischen
Schlossprojekts, doch sind immerhin auch noch die reduzierte Form mit
dem prächtigen Treppenhaus, die einstige große Gemäldegalerie und der
besagte Notenbestand Beweis genug für die kulturellen Akzente, die
diese Familie in Oberschwaben setzte.
Vom Noteninventar der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts ist zwar ein
großer Teil verschollen, doch haben sich Reste davon - vermischt mit
Zeiler Beständen - bis heute erhalten. Von den rund 800 Werken sind
immerhin noch über 300 vorhanden. Diese sind in mehrfacher Hinsicht
interessant. Untersucht man die lange Liste der dort aufgeführten rund
150 Komponisten sowie deren Werke, die meist zwischen 1750 und 1800
angeschafft bzw. abgeschrieben wurden, fällt ein grundlegender
Unterschied zur oberschwäbischen Klostermusik auf: Während die Klöster
durch ihre Klosterschulen vielfach eigene Komponisten heranzogen, waren
die Adelshäuser größtenteils auf Werke fremder Komponisten angewiesen.
Hier zeigt sich der im Gegensatz zu den Klöstern weit internationaler
ausgerichtete Musikgeschmack der Adelshäuser, zeigt sich, wie die
Adligen durch Reisen oder durch Käufe von Notendrucken sich über das
aktuelle Musikleben an den europäischen Metropolen wie Wien, Prag,
Paris, Rom, London und St. Petersburg auf dem Laufenden hielten.
Sicherlich waren auch Graf Ferdinand Christoph von
Waldburg-Zeil-Wurzach und Graf Anton Willibald von Waldburg-Wolfegg,
die zu Mozarts Zeit Domherren in Salzburg waren
- letzterer hatte sogar enge Kontakte zur Familie Mozart - gute
Informanten.
Die internationalen Beziehungen des Adels machen es verständlich, warum
in den höfischen Notenbeständen Oberschwabens neben österreichischen
und böhmischen vor allem italienische und französische vertreten sind.
Überraschend ist das fast vollständige Fehlen der heute bekannten
großen Klassiker und dagegen die Häufigkeit von Namen, die heute mehr
oder weniger vergessen sind - ein Phänomen, das die damalige
Wirklichkeit widerspiegelt.
Betrachtet man die Titel der Werke, so werden weitere
musikgeschichtliche Faktoren deutlich, die damals von Bedeutung waren.
Bei den meisten Werken handelt es sich um absolute Musik, d.h. um
Symphonien, Konzerte, Sonaten und Kammermusik; dies zeigt,
dass der Musikgeschmack an einem oberschwäbischen Adelshaus nicht so
sehr Unterhaltungsmusik im heutigen Sinn, sondern viel mehr die Musik
für "Kenner und Liebhaber" bevorzugte.
Schloss Wolfegg
um 1840
(Ausschnitt) Abb. 4
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Daneben
sind im Zeiler Notenarchiv eine ganze Reihe von Opernarien vertreten,
die belegen, wie die Opern entfernter Musikzentren bald auch in
Oberschwaben bekannt wurden. Oft wurden solche Arien und
Opernpotpourris auch für Bläser arrangiert und wurden somit allgemein
bekannt. Ein Beispiel dafür bietet ein Arrangement von Mozarts
"Entführung" für 2 Flöten und
Bass. Einen weiteren Bereich der höfischen Musik bilden die Tänze.
Hier
zeigt sich, dass
die prächtigen Tanzfeste mit wallenden Gewändern, gemessenen,
kunstvollen Tanzschritten und heiter-beschwingten Klängen nicht nur am
französischen Hof zur Zeit Ludwigs XIV., des großen Sonnenkönigs,
stattgefunden haben.
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Auch
die Adelshäuser Oberschwabens und des Allgäus hatten am großen Tanzfest
des barocken Europas Anteil. Ob spanische, englische, französische oder
italienische Tänze - die
Oberschwaben scheinen auch damals schon - obwohl es noch kein Radio gab
- über die Tanzmoden anderer Länder gut unterrichtet gewesen zu sein. Allemande
(Büchele Quartett), Courante, Sarabande, Gigue, Menuett
(Büchele Quartett), Country Dance, Gavotte, Polonaise - die Adligen
waren musikalisch auf der Höhe der Zeit, und selbst in die Orgelmusik
schlichen sich die damals modernen Tänze ein." 4
Dass man sich am Hofe bei aller Übersteigerung
auch wieder dem Ländlichen zuwandte, zeigt sich in den
Schäferidyllen, im Bildbeispiel an der Verwendung der
bäuerlichen Instrumente Dudelsack und
Schalmei.
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Tanz nach dem
Essen auf Schloss Wolfegg,
hier mit böhmischem Bock und Schalmei,
eine Modevariante: "zurück zur Natur" -
auch am Hofe
Ludwig XIV. wurde Dudelsack gespielt;
anonymer Meister, Schloss Wolfegg, Abb. 5
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"An manchen Adelshäusern gab es regelrechte kleine Hoforchester so wie
auch in Wurzach. Auch hier waren dieselben Instrumente wie in den
Klöstern gefragt, ging doch der Zeitstil von einer gewissen
allgemeingültigen Klangästhetik aus. Besonderes Privileg der
Adelshäuser waren die Trompeter, die ursprünglich nur hier gehalten
werden durften. Sie und auch andere Instrumentalisten wurden gerne zu
besonderen Anlässen an die Klöster ausgeliehen. Dies zeigt, wie eng
Adel und Kirche damals auch in musikalischer Hinsicht
zusammenarbeiteten.
Beliebt an den Höfen waren Bläserserenaden, die im Schlosshof oder im
Park gespielt werden konnten und deren Klang wie geschaffen war für
Freiluftmusiken. Mancher bürgerliche Zaungast dürfte damals schon vom
reinen Bläserklang bezaubert gewesen sein, und manche oberschwäbische
Blaskapelle hatte ihr Vorbild in einer solchen "Harmoniemusik".
In diesem Zusammenhang ist eine besondere Form der Harmoniemusik, die
sog. türkische Musik, zu erwähnen. Trotz aller kriegerischen Bedrohung
war seit
ca. 1780 die türkische Musik mit ihren lärmenden Instrumenten, vor
allem mit den Becken-, Trommel- und Triangeleffekten, Mode geworden,
die auch Mozart und Beethoven inspiriert hat. Am Wurzacher Hof wollte
man da nicht abseits stehen, und schon 1788 wird dort eine türkische
Musik erwähnt.
Der Einfluss der Adelshäuser auf die Städte und Dörfer
Ähnlich wie die Klöster strahlten auch die oberschwäbischen Adelshäuser
auf die Städte und Dörfer ab. Genauso, wie das Volk hierzulande die
französische Kleidermode zu imitieren suchte, so wollte es auch durch
Tänze etwas von der Atmosphäre an den Adelshäusern nachempfinden. So
sind in Oberschwaben und im Allgäu verschiedene Menuette aus dieser
Zeit erhalten, und vor einigen Jahren tauchte in einem Allgäuer
Bauernhaus eine Handschrift auf, in der ein Tanz mit dem Titel "Air
Louis XIV" zeigt,
dass der große französische Sonnenkönig selbst in den letzten Allgäuer
Winkel seinen Schein verbreitete.
Nicht nur die Tänze wurden vom Adel entlehnt, sondern auch die Musiker. Manche Stadt profitierte davon,
dass es in der Gegend einen adligen Brotgeber für Instrumentalisten gab.
Das Ende der Hofmusiker Anfang 19. Jahrhundert
Was die Säkularisation für die Klöster, das war die französische
Revolution und die Mediatisierung für die oberschwäbischen Adelshäuser.
Die Zeit der Vormachtstellung des Adels war - auch in musikalischer
Hinsicht - vorbei. Die Hoforchester - so auch in Wurzach - wurden
aufgelöst, und so mancher Musiker fand in oberschwäbischen Orten eine
neue Aufgabe beim Aufbau der Blaskapellen.
Da die Noten nun nicht mehr gebraucht wurden, verschwanden viele für
immer - u.a. 2/3 des Zeil-Wurzach'schen Bestandes. Manche dürften auch
in die Hände von interessierten Laienmusikern gelangt sein. Als
Beispiel soll die
Notensammlung von Alois
Hoh aus Bergatreute
dienen. Diese wurde von seinem Vorfahren Anton Obermayer um 1800
begonnen und zeigt, wie der Übergang von der höfischen und klassischen
Musik zur Blasmusik nahtlos vonstatten ging, war der musikalisch
vielseitig interessierte Klempner aus Bergatreute doch auch
gleichzeitig der Gründer der Bergatreuter Blaskapelle. Die Sammlung
umfasst als ältesten Bestand eine ganze Reihe von Konzerten,
Symphonien, Kammermusikwerken, Opernarien und Tänzen von deutschen,
böhmischen, italienischen und französischen Komponisten - im Prinzip
das Repertoire, das wir auch in den Adelshäusern finden. Sogar ganz
direkte Verbindungen zwischen dem Haus
Waldburg-Zeil und dem Bergatreuter Musiker muss es gegeben haben, denn
in beiden Sammlungen gibt es Werke von denselben Komponisten bzw.
Schreibern.
Auch die Einflüsse der klassischen Harmoniemusik finden sich hier.
Manche Opernouvertüre
und -arie gelangte auf dem Umweg über die Harmoniebearbeitung nach
Oberschwaben und ließ die begeisterten Blasmusiker an der Atmosphäre
der fernen Opernhäuser teilhaben. ..."4
Literatur
1 Falk, Reiner: in: Festschrift zum 4. Landesmusikfest, 3. bis 6. Juni
1994, Wangen im Allgäu, S.24 ff.
2 MGG Bd. 13, S. 1048, (c) Bärenreiter-Verlag
1986
3 Seifritz, Erno: Den liebsten bulen, den ich han. Alte Lieder aufs Neue
gesungen (8). In: Im Oberland, Ravensburg, 2001, Heft 2
4 Büchele, Berthold: Festschrift zum 4. Landesmusikfest 3. bis 6. Juni
1994, Wangen im Allgäu, S. 104 ff.
5 MGG Bd. 16, S. 753 ff. (c) Bärenreiter-Verlag 1986
u.v.a. s. Literaturliste
Bildverzeichnis
Abb.1: Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger
Liederhandschrift, Frankfurt 1988, S.72
Abb. 2.: Praetorius, Michael: Syntagma musicum, Bärenreiter Verlag (Reprint),
2001, Taf. 11
Abb.3: Weitnauer, Alfred: Allgäuer Chronik, Bilder u.
Dokumente, S. 436
Abb.4. (s.o.) S. 438
Abb.5: Barczyk, Michael: Essen und Trinken im Barock, Sigmaringen 1981,
S. 10
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