Auf dem Lande

Sucht man neben der glanzvollen Entfaltung der absolutistischen Hochkultur noch vor 1800 nach der Musik des Volkes außerhalb von Schloss-, Kloster- und Stadtmauern, so sind die Belege sehr spärlich. Aus dem 9. Jahrhundert ist uns von einem Mönch in St, Gallen ein geistliches Volkslied erhalten. Auch aus den späteren Jahrhunderten bleiben diese geistlichen Lieder die einzigen volkskundlichen Belege. Erstes deutsches Volkslied ist wohl ein "Puren gesangk" (Bauernlied) aus einer alemannischen Handschrift um 1440. 

Zum Tanz auf dem Lande wurde lange nur gesungen. Man schritt und hüpfte dazu in einem Kreis oft noch um die Linde, wie wir das in den Kinderreigen bis heute erhalten haben. Ein besonderer Allgäuer "Roien" wurde überraschenderweise noch um die Jahrhundertwende in der Gegend um Isny aufgezeichnet und ist damit eine Beispiel dieses Reigentanzes, der die Zeit vor 1500 bestimmte.

Handtrommel und Pfeife, eine einfache Querflöte ohne Klappen, kamen als Instrumente dazu. Durchreisende Spielleute brachten neben den gerade aktuellen Neuigkeiten über die Lieder weitere Instrumente mit: das Hackbrett, die Drehleier, die Schalmei, aus der sich später die Oboe entwickelte, und den Dudelsack. 

Auch der Augsburger Schwabe Leopold Mozart, Vater des Wolfgang Amadeus, lässt zur fast gleichen Zeit in seiner musikalischen "Bauernhochzeit" die Drehleier schnurren und den "kropfstimmigen" Dudelsack "dudeln", wie das von der Zeit um 1820 von Missen im Allgäu noch beschrieben wird.

Zu diesen Instrumenten kamen Geige, Harfe, Waldhorn und die Maultrommel, die als "Mädchenlocker" und virtuoses Instrument eingesetzt wurde. Die Harfe hatte ebenso bei der Tanzmusik wie in der "höheren" Bürgermusik ihren Platz. Dazu stieg das Hackbrett neben seiner langen Tradition seit den ersten Nachweisen in Schwaben um 1500 vom "Lumpen- und Bettlerinstrument" ebenfalls bis zum Instrument der Kunstmusik auf. Leopold Mozart, Gluck u. a. schätzten es. Und es blieb im Volk bis heute, auch wenn es zwischenzeitlich im Alpenraum fast ausgestorben war.

Interessanterweise haben wir die wenigen Zeugnisse zu dieser Zeit oft aus Gerichtsprotokollen. Das Notenschreiben war ohnehin damals keine Angelegenheit des "gemeinen" Mannes. Denn heute wird dazu bei aller barocken Pracht oft vergessen, dass das einfache Volk durch viele Verbote sich kaum entfalten konnte, ja unter absolutistischer Willkür zu leiden hatte. Aus Siggen (heute in Argenbühl) erfahren wir, dass ein Anton Schäfer gegeiget und gepfiffen habe (Querpfeife), und bei anderer Gelegenheit sei nur die Maultrommel gebraucht worden. Es ging fast nie ohne Genehmigungskosten oder Strafe ab, d. h. dass an der Kultur des Volkes die Obrigkeit damals noch immer gut mitverdient hatte. Man tanzte dann auch nicht mehr um die Dorflinde, sondern besaß in den Dörfern verschiedentlich Tanzhäuser, die "Tanzlauben", die meist dazu Wirts- und auch Gerichtshäuser waren. Daneben suchte man die Gelegenheit zum Tanz in den Kunkelstuben.

Mit den wendigeren Streichern und Pfeifern konnten schließlich Drehleier und Dudelsack nicht mehr mithalten. Sie verschwanden aus dem schwäbischen Raum um 1800, während der Dudelsack im Egerland noch bis 1945 geblasen wurde. 

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