Tänze - Herkunft, Musik und Bewegung

Versucht wird eine eher chronologische Darstellung:

Der Roien
Ein ursprünglicher Tanz aus früheren Zeiten ist der "Roien" (Reihen), ein Reigentanz, der bis 1905/06 in Bolsternang und in der Weitnauer Gegend im Gebrauch war. Alfred Quellmalz, ein in Isny aufgewachsener Musikforscher,  bemerkt dazu: "Seine Ausführung stimmt in allen wesentlichen Punkten mit dem auf den Färöern getanzten Reigen überein: Ein geschlossener Kreis mit gefaßten Händen stimmt ein Lied an und beginnt zu 'roie'. Die Bewegung ist, wie alles Urtümliche, einfach: zwei seitliche Nachstellschritte, nach dem zweiten Schritt das rechte Bein über dem linken kreuzen (es schwebt also in der Luft). Bei der nächsten Taktzeit Schritt nach rechts, dann kreuzt das linke Bein über dem rechten und macht weiterhin einen Schritt nach links. Rechtes Bein ans linke anschließen, zweiter Schritt nach links, rechtes Bein über das linke kreuzen usf.. Die Arme mit den gefaßten Händen schwingen dabei im Takt weit hin und her. Der Kreis bewegt sich, unterbrochen durch die kurzen Rechtsbewegungen, langsam im Uhrzeigersinn nach links. Tanzen, wie es besonders in Weitnau oft vorkam, viele mit, so werden zwei Kreise, ein Innen- und ein Außenkreis, gebildet, wobei sich der innere nach rechts, der äußere nach links bewegt. Es muß ein schönes Bild gewesen sein!

Getanzt wurde der Roie meist an Sonntag- nachmittagen nach dem Nachmittags- gottesdienst, bei Hochzeiten und sonstigen Gelegenheiten, z. B. auf der Föhlehohstube'." An Liedern, die man dabei sang, sind neuere (im 2/4- und 3/4-Takt) genannt, z. B.: Jetzt gang i ans Brünnele", ein Beweis, daß der Roie nicht in alter Form erstarrt geblieben war. Für Mitteleuropa ist der Allgäuer Roie der einzige Beleg dieses so weitverbreitetenTanzes, bei dem es sich zweifellos um uraltes gesamteuropäisches Gut handelt." - Im "Branle Simple" des 16. Jahrhunderts ist diese Schrittfolge in Kreisform, aber auch als Schlangenbewegung durch den Raum, ebenfalls überliefert.

Erfreulicherweise pflegt man diesen Roien heute in verschiedenen Orten nicht nur im Westallgäu über die Wiederbelebung durch die Volkstänzer, dank der Aufzeichnung von Quellmalz. 

       
    Tanzendes Bauernpaar, 
   v. Albrecht Dürer, 1514

Das Menuett  

Ton: Menuett aus dem Kloster Gutenzell, Büechele-Quartett, 2000

Als Tanz vor allem ist das Menuett geradezu Ausdruck der absolutistischen Herrschaftsform: Würde, edler Anstand und Zügelung der Emotionen bis hin zu Starrheit und Künstlichkeit. Seit 1750 war diese besondere Tanzform auch bei den "fortschrittlicheren" Adelsgesellschaften langsam aus der Mode gekommen. Die Französische Revolution hatte diesen Vorgang noch erheblich beschleunigt. Nur noch in konservativen Kreisen, z. B. am württembergischen Königshof in Stuttgart lebte der Tanz bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts fort, in den Sinfonien meist als 2. Satz musikalisch bis heute.

Wie die Städter im 19. Jahrhundert das höfische Tanzzeremoniell umformten, das einen perfektionierten Einzelpaartanz darstellte, ist leider hier nicht bekannt. 

       
            "Le Menuet" nach einem Kupferstich 
            von A. Guillaumot aus den Danses 
                Françaises, Paris o. J. 
            (2. Hälfte des 18. Jh.), MGG

Der Deutsche Tanz

Tanzmelodie aus einem Notenheft um 1840, Handwerks, bei Wangen, wohl ein "Deutscher"

Bei den 34 Stücken im 3/4 Takt in obengenanntem Notenheft ist Menuettartiges festzustellen, manche erinnern eher an Ländler, und die hier abgebildete Seite 2 könnte sogar mit den 16-taktigen Einheiten einen Walzer darstellen. Nun treffen diese Merkmale auf einen Tanz zu, der als Deutscher oder als Deutscher Tanz vor allem während der Zeit der Klassik bekannt war. Haydn schrieb 35, Mozart 50, Beethoven 24 und Schubert über 100 solcher Deutschen Tänze.

Dieser im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Österreich und Süddeutschland getanzte Deutsche war ein von Einzelpaaren ausgeführter schneller Drehtanz, der sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch beschleunigte. "Der Tänzer und die Tänzerin hüpfen und drähen sich beständig" (1760).

Gesellschaftlich ist dieser Tanz auch eher den niederen Ständen des Bürgertums zuzuordnen, wie das auch Mozart (1787, noch vor der Franz. Revolution) in seiner Oper "Don Giovanni" darstellt: in einer Tanzszene drehen sich die niedrig stehenden Personen im "La Teitsch", daneben schreiten die Adeligen das steif-graziöse Menuett der Aristokratie. In einer Zwischenstufe, sozusagen des aufkommenden Bürgertums, tanzen der sozial hochgestellte Don Giovanni und die Bäuerin Zerlina einen Contretanz, den Kontratanz oder Kontertanz.

Der Kontratanz
Es ist anzunehmen, dass die geradtaktigen Stücke im gleichen Heft zu diesen Kontratänzen gehören. Ihr Aufbau entspricht dem der klassischen Contratänze unserer großen Meister Mozart, Beethoven und Schubert, die sich nicht zu schade waren, Tanzmusik zu schreiben, wenn auch nicht für das Landvolk, sondern mehr für das wohlhabende Bürgertum und die Aristokratie.

Aus England hatten sich aus den Country dances, den ländlichen Tänzen, im 17. und 18. Jahrhundert über ganz Europa hinweg verschiedene Tanzformen, die Kontratänze, ausgebildet, die gemeinsam haben, dass sie gesellig in Gruppen und nicht so stark paarbezogen wie das Menuett ausgeführt wurden. Nicht dass diese Tänze etwas völlig Neues waren. Gesellige Tänze gab es auch schon vorher auf dem Kontinent. Aber diese Varianten waren als neue Mode nun schnell aufgenommen worden.

Man stellte sich einmal geschlossen im Kreis (Round) auf - auch der mittelalterliche Reigen zeigte diese Form -, hüpfte seitwärts links oder rechts oder lief zur Mitte und wieder zurück. Oder man stand einander im Viereck zu vier Paaren gegenüber (= frz. "contre") und bewegte sich in verschiedenen Variationen mit dem eigenen Partner oder den anderen Nachbarn. Eine dritte Form der Aufstellung ist die der langen Gasse (Longway), wo die Tänzer am Anfang der Reihe ihre Figuren vorzeigen und dann die nächsten aufrücken und weitertanzen.

Dieses gebundene und doch freie Bewegen mit den anderen Paaren schien damals gerade der Ausdruck der bürgerlichen Freiheit nach der Französischen Revolution zu werden, so dass diese Kontratänze als Gruppentanz eine große Verbreitung in ganz Europa fanden. Schiller schwärmte von dieser Freiheit im Gesetz im Zusammenhang mit einer besonderen ästhetischen Qualität.

Verschiedene Kontratanzformen in Wangen

Auch im bürgerlichen Wangen fand der Kontratanz seine Anhänger, wie wir das schon dem Inserat aus dem Argen-Boten von 1841 entnehmen konnten. Rund 25 Jahre später sah das Tanzangebot in Wangen wieder anders aus.

Neben den Rundtänzen wurde nun auch hier der aus den Kontratänzen entstandene Cotillon (auf deutsch: "Unterrock") gelehrt, der in quadratischer Aufstellung in mehreren Figuren ausgeführt wurde (Handtour, Paarkreis, Damen-/Herrenmühle usw.). Die Francaise war wieder eine andere Form der Kontertänze als die Anglaise, bei der sich die Tänzer in zwei Reihen gegenüber standen (9). Man wechselte nach dem Takte der Musik die Plätze, bewegte sich in der Gasse auf und ab und bezog schließlich auch noch einen Rundtanz mit ein ("teutsch" drehen). Die Quadrille hat etwas mit der quadratischen Aufstellung der Paare zu tun wie beim Cotillon, war aber ebenfalls eine besondere Weiterentwicklung der Kontertänze.

     
       Anzeige aus dem "Argen-Boten" von 1841

 
Eine besondere Rarität des Allgäu-Schwäbischen Archivs ist ein Brief aus dem Jahre 1862 von Ludwigsburg nach Bergatreute zur Francaise in Schwaben. -

Wer den großen Ball Anfang Januar im Dorfstadel in Eglofs schon besucht hat, der seit 2000 vom Geschichts- und Heimatverein Eglofs durchgeführt wird, erinnert sich sicher an die Freude in der gemeinsamen Bewegung nach Musik, die solche Kontratänze in unserer heutigen Zeit wieder bereiten.

Rundtänze des 19. und 20. Jahrhunderts 

"Rundtänze" nennt man sie, weil sich die Tanzpaare, sich um sich selbst drehend, im Tanzkreis weiter gegen den Urzeigersinn bewegen.

Der Hopser

Siebenstimmiger Hopser, bearbeitet in "Musik um 1840 in Bergatreute", 
Tanzmusik mit Kirchenmusikinstrumenten: Flöte, Klarinette, 2 Violinen, 2 Hörner, (Kontra-)Bass

In den frühen Noten der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Hopser aufgezeichnet. Es handelt sich vermutlich um die ursprüngliche Tanzform, die zum schnellen 2/4-Takt getanzt wurde und dann später vom Schottisch abgelöst wurde. Beim Hopser hüpft der Tänzer zwei Mal auf dem linken, dann auf dem rechten Fuß - die Tänzerin gegengleich. Dazu dreht sich das Tanzpaar.

Der Ländler 

Seinen Namen hat der Ländler als besondere Tanzmusik wohl nach dem österreichischen Landl oder allgemeiner nach dem "Land", dem Begriff für die nicht so gebirgigen Landschaften Oberösterreichs.

Er wird auch Länderer, Oberländer und in Bayern Landler genannt. Es ist ein sehr kunstvoller Tanz, den mehr die Burschen in den verschiedensten Ausführungen tanzen vom Hüpfen bis zum ruhigen Schreiten, das den Dreierrhythmus fast verwischt. (In den zwanziger Jahren wurde er bei uns nur noch walzerähnlich gedreht.) In einer speziellen Musizierpraxis spielten dazu hauptsächlich zwei Geigen.

Musikalisch formal geht der Ländler auf das Grundschema der Periode zurück, die auch beim Menuett, Kontratanz und Deutschen Tanz schon angesprochen wurde und welche die Grundlage fast jeder Tanzmusik bis heute bildet.

aus einem Notenheft mit 192 Ländlern von Baptist Buhmann, etwa 1860

Nach zwei Takten eines Motivs kommt sozusagen als Beantwortung dieser Frage eine zweitaktige Antwort. Meist kommt dieselbe Frage in den nächsten zwei Takten wieder, um erst jetzt mit einer endgültigen Antwort abzuschließen. Dasselbe wird noch einmal wiederholt. Das Harmonieschema ist ebenfalls sehr einfach: 1. Takt: Tonika, 2. Takt: Tonika, Subdominante, Dominante oder Parallelmolltonart, 3. Takt: Möglichkeiten wie Takt 2; 4. Takt: Tonika. Beim Nachsatz wird dieselbe Kadenz wie bei den ersten vier Takten wiederholt.

Für einen Tanz sind in der Musizierpraxis diese 16 Takte noch zu kurz, weshalb gleich ein zweiter Ländler angeschlossen wird. Dieser beginnt als "zweiter Teil" vielfach mit dem Dominantseptakkord, wechselt in die Tonika, Dominantseptakkord und Tonika. Der Nachsatz ist wieder gleich. In manchen alten Notenbüchern sind diese Zweiten Teile an anderer Stelle, oft auch in einem anderen Heft ausgewiesen. Hier in dieser Handschrift wechseln solche "Ersten" und "Zweiten" Teile recht unregelmäßig. Wichtig ist für die Musizierpraxis, dass ganz beliebig aneinandergereiht werden kann. Vor allem können die Zweiten Teile auch mit anderen Instrumenten, auch solo, gespielt werden oder in einer anderen Tonart.

Noch in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts wurden um Eisenharz herum mindestens drei Ländler aneinandergereiht. Es galt, dass kein Tanz weniger als 48 Takte haben durfte. Man begann den ersten z. B. in C-Dur. Der zweite folgte, oft mit einem anderen führenden Instrument in kleinerer Besetzung, in F-Dur, und der dritte schloss sich in B-Dur an. Man kehrte beim weiteren Spielen über F- zu C-Dur zurück. Aus diesen Noten ist eine ähnliche Musizierpraxis zu schließen, da blockweise 8 bis 16 Ländler in einer Tonart aufgeführt werden. (Z. B.: C-, F-, C-. F-, B-Dur)

Nachdem nur die erste Stimme aufgezeichnet wurde, bedeutet dies für die Begleitung ein Spielen nach Gehör, ein Improvisieren. Die einfachen Kadenzen erleichterten diese Improvisation, die damit wesentliches Merkmal der damaligen Tanzmusik ist.

Damit sind solche Handschriften auch nicht als direkte Notenvorlage zum Musizieren zu verstehen, sondern lediglich als Studienhilfe, mit der der Musikant sein Repertoire einüben konnte, um es dann auf dem Tanzboden frei in solchen Folgen, den Ketten oder Schnurren, aufzuspielen. Als geistiges Eigentum des Musikanten wurden diese Hefte sicher auch nicht immer der Konkurrenz, den anderen Tanzmusikanten der umliegenden Dörfer, überlassen, sondern wurden eher über weitere Entfernungen ausgetauscht. 

Wir wissen sehr wenig, wie im 19. Jahrhundert im Westallgäu ein Ländler getanzt wurde. In Eisenharz, wo Gebirgstracht und -kultur früher als in Eglofs aufgenommen wurden, tanzte man zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Ländler eher schneller nach Schuhplattlerart. In Eglofs verschmolz die Mazurka als Tanz immer mehr mit dem alten, ruhigen Ländler zu einem langsamen Walzer, bei dem mit der Betonung des ersten Schrittes auch die zwei weiteren des Taktes ausgetanzt wurden. 

Der Siegeszug des Walzers

Ton:"Walzer Nr 1", aus Eisenharz, 1901, Eglofser Stubenmusik, 1989

Der Walzerrausch auf dem Wiener Kongress nach der Niederwerfung Napoleons, der verspätet auch im Wangener Argenboten festzustellen ist, kam doch erst mit einer deutlichen Verzögerung zunächst in den Städten an. Erst gegen Ende des 19. Jh. hatte er schließlich auch den Siegeszug auf dem Lande angetreten. 

Da bei dem Walzer gegenüber den zarten Berührungen von Tänzerinnen und Tänzern bei den höfischen Tänzen mit den Fingerspitzen die enge Tanzhaltung eingenommen wird, erregte dieser "entsetzliche Wirbelsturm" bei den strengen Sittenwächtern zunächst eine nicht geringe Entrüstung. Vorläufer bei der Tanzhaltung waren allerdings die schon früheren "walzenden" Tänze mit enger Paarfassung gewesen. Musikalisch sind die Einflüsse des Ländlers und des Deutschen Tanzes unverkennbar.

Walzer aus einem Notenheft (Sl. G. Weber, 1901), vermutlich von den 
Eglofser  Musikanten abgeschrieben

Das Notenbild zeigt schon einmal eine wichtige Veränderung gegenüber früher auf: Die Musikstücke werden insgesamt jeweils umfangreicher und in sich abgeschlossener. Gegenüber dem Ländler, der aus 8-taktigen Perioden besteht, ist der Walzer in seinen Einheiten auf 16 Takte angewachsen. Manchmal ist auch ein 4-taktiges Vorspiel festzustellen. Das Trio ist auch bei den anderen Tänzen (Polka, Schottisch, Galopp u.a.) nicht die Regel, aber vorherrschend geworden. Der Walzer ist nun auch erheblich schneller geworden gegenüber dem ruhigeren Ländler und dem schon recht raschen Deutschen Tanz. Der Dreischrittdreher hat sich fast zum Zweischrittdreher verschliffen. Doch wird man ihn, den Wiener Walzer, auf dem Land wieder nicht so schnell wie in der Stadt getanzt haben. In Eglofs wurde er vor dem 2. Weltkrieg noch hauptsächlich linksherum gedreht, dazu, wie noch immer üblich, im großen Kreis gegen den Urzeigersinn.

Die Mazurka

Eine "Warschauer" Mazurka aus Bergatreute 1873, Notenheft Nicola Benz

Aus Masowien, einer Landschaft nördlich von Warschau, stammt dieser ursprünglich rasche Sprung- und Drehtanz im 3/4-Takt. Er nahm von dort aus seinen Weg über Paris, wo viele Flüchtlinge der verschiedenen niedergeschlagenen Aufstände in Polen (1830 u. später) aufgenommen wurden. Als Modetanz kam er über die Stadtkapellmeister auch aufs Land.

Dass die Mazurka hier mit den komplizierten Hüpfschritten, Vor- und Gruppentänzen getanzt wurde, ist kaum anzunehmen. Jedenfalls vertrat sie nach dem 1. Weltkrieg und später noch bei uns den Langsamen Walzer. Wie die Ländler wurden auch die Mazurkas aneinandergereiht.

Erstaunlich für unsere heutigen Verhältnisse, wo in den Diskotheken fast nur noch geradtaktige Tänze eine Rolle spielen, ist das Vorherrschen dieser Dreier-Ländler früher. 2/3 aller aufgeführten Tänze waren im Dreiertakt - eingeschlossen die ebenfalls ungerade Mazurka und den Walzer.

Die Polka 

Ton: " Kikeriki" Polka, Ochsenhauser Musikanten, W. Buchmann

Typische "bayrisch" Polka, langsame Viertel, aus Wohmbrechts 1910, Bearbeitung Nicola Benz

Allen Tänzen, bei denen man auf "zwei" oder "vier" zählt, wie das beim Marschieren der Fall ist, zählt man zu denen mit geradem Takt. - Der Marsch als Tanz = "Schieber" wird erst in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg genannt.

Vielfach wurde die Polka hier "Bolker" genannt. Man spielte und tanzte ihn noch bis nach dem 2. Weltkrieg. Im schwäbischen Raum versteht man unter der Polka eigentlich den langsamen Tanz, der als Rheinländer-Polka, Bairische-Polka oder kurz Bairischer noch eher bekannt ist in Verbindung mit dem Lied: "Im Grunewald, im Grunewald ist Holzauktion. . ."

Die Gegensätze von Spätzle und Kartoffeln sind für den Schwaben in einer Schüssel als "Gaisburger Marsch" durchaus vereinbar. So ergeben bei diesem Tanz ähnliche Gegensätze nebeneinandergestellt eine reizvolle Abwechslung. Gemeint sind der geradtaktige Seitwärtsschritt und der Walzerdreher. Hier gibt es natürlich wieder viele Varianten bei der Gestaltung. Überliefert sind bei diesem Paartanz bis nach dem 2. Weltkrieg das Auseinandergehen der Partner nach offener Handfassung - und wieder zurück mit anschließendem viermaligen Drehen (Schleifer wie beim schnellen Walzer). 

Diese Seitwärts-Wechselschritte weisen auf die böhmisch-polnische Herkunft hin, die in der "echten" Polka die Grundlage bilden. Die verschliffene Drehung stammt wohl mehr aus dem Schottischen.

Der Schottisch

Ton: Schottisch, Scherrzither u. Gitarre, Wurzacher Stubenmusik, Gregor Holzmann



auch als "Hopsa, Bärbele" u.a. weiter bekannt, Mittelteil in seltenem Moll, 
Handschrift B. Buhmann, Albris, 1920, Notenheft N. Benz (Ausschnitt)

Seine Herkunft ist direkt dem Namen zu entnehmen. Vornehmer scheint das französische Wort für "schottisch" zu sein, Ecossaise. Auf einen rascheren, geraden Takt wird ein schneller Wechselschritt so gedreht, dass er wie ein schneller Walzerschritt erscheint. Damit fällt dieser Tanz eigentlich mit dem Polkaschritt zusammen und wird deshalb in heutigen Volkstanzkreisen allgemein als Polka bezeichnet. Wir sollten im schwäbischen Raum ruhig bei unserer überlieferten Bezeichnung bleiben.

Der Galopp

Ton: Galopp, Eglofstaler Fehla, 1995

Galopp aus Albris/Eisenharz (Sl. Weber), bearbeitet von Nicola Benz in "Melodien aus alten Handschriften"

Wird das Tempo beim geraden Takt noch etwas schneller, dann hebt der Tänzer bei Wechselschritten sogar kurz vom Boden ab, er galoppiert, wie das auch bei den Pferden bei einer schnelleren Gangart der Fall ist.

Das kann seitwärts geschehen oder auch bei der Drehung, was eine ungestüme Bewegung zur Folge hat. Wahrscheinlich hat sich aber der Galopp auf dem Lande nicht so stürmisch ausgewirkt wie in der Stadt, doch ist anzunehmen, dass ihn die Musikanten früher - wie auch heute in Volkstanzkreisen - dazu benutzten, als "Rausschmeißer" ihre Tänzer müde zu spielen. 

Sonderformen 

Die Polonaise  

Ton: "Polonaise" aus Wohmbrechts, Hürbener Ballorchester, Lt. Uwe Rachuth

Als Gruppentanz ist die Polonaise eigentlich eher ein festlicher Aufmarsch bei Hochzeiten und Bällen in einem schreitenden (Andante) Dreivierteltakt. Sie stammt, wie aus dem Namen zu erkennen ist, aus Polen und wird von den Märschen als Auftanz bei den Volkstänzern heute fast verdrängt. 

Ausschnitt: Trio aus einer Polonaise mit der Melodie: "Kommt ein Vogel geflogen", 
aus 5-stimmigen, handschriftlichen Tanzheften von Baptist Buhmann, Albris/Eisenharz,  
1920, Satz nach Originalbläserstimmen, transponiert und erweitert mit Cellostimme, 
im "Eglofser Notenbüchle"

Das Beispiel gibt im Notenbuch einen Autor Hofmann an. Dieser H. Hofmann hatte einen eigenen Verlag in Kirchberg in Sachsen und versorgte sicher nicht nur das Allgäu mit seinen Blastänzen, mit denen er maximal zwölfstimmig die traditionelle Volksmusik weiterzuführen versuchte. D. h., sie enthielten Walzer, Polkas, Galopp, (statt Schottischen), Rheinländer, Polka-Mazurkas, Kreuz-Polka und Märsche.


Der Achter
In seinem Artikel von 1953 schreibt Quellmalz von einem Achtertanz, der in Isny eine besondere Tradition haben soll: Schnecke, Tor, Stern, als Zwischenglied Kette oder Kreis und als Krönung "die Figur eines Achters, wovon der Achter ja seinen Namen trägt". Weiter: "Alle diese Figurentänze haben verschiedenartige stilistische Herkunft: uralte vorchristliche Symbole wie Schnecke, Stern, Tor, dann Zunfttänze." So ist dieser Achter ebenfalls in seiner letzten Ausformung von den Kontratänzen geprägt. - Heute ist der Tanz leider in Isny nicht mehr bekannt. 

Der Allgäuer Sechser
Auf das Menuett zurückgehend hat sich dieser kunstvolle Tanz  in den Volkstanzbereich hinein entwickelt und verschiedene Figuren ausgeformt.

Drei lederne Strümpf, der Allgäuer Nationaltanz
In den Forschungen des "Bayerischen Heimatvereins für Heimatpflege" im Bezirk Schwaben kommen wie bei Quellmalz "Drei lederne Strümpf" als guterhaltener Typus der pantomimischen Tänze vor. Dieser Einpaartanz, der von mir im Raume Eglofs nicht mehr festzustellen war (in Isny noch um 1951), enthält eine selbst gesungene Liebesgeschichte, zu welcher der Sänger sich mit Händeklatschen und Stampfen den Rhythmus gibt. Eine genaue Tanzbeschreibung findet sich im schwäbisch-alemannischen Tanzheft "Gibele, Gäbele" (s. Fischinger).

Vom 1985 in Missen noch bekannten Hiatamadl gibt es um Eglofs-Eisenharz keine Hinweise.

Kreuz-Polka
Baptist Buhmann aus Albris/Eisenharz wusste 1989 (mit 79 Jahren) noch ungefähr, wie sie getanzt wurde. Sie kommt der 1. Allgäuer Form im "Gibele Gäbele" (4) am nächsten. Noch um 1925 wurde die Kreuz-Polka in Eisenharz getanzt. Bekannt ist auch der Text dazu: "Siehste wohl, da kimmt er, lange Schritte nimmt er; siehste wohl, da kimmt er schon, der versoffne Schwiegersohn":

Die Tänzer stehen paarweise im Kreis, die Tänzerin (Tn) mit Rücken zur Kreismitte, Tänzer (Tr) Gesicht zur Kreismitte. Die rechten Hände sind gefasst.
Takt (T) 1 und 2: Mit einer Viertelwendung in Tanzrichtung 3 Schritte in Tanzrichtung, der vierte wird überkreuzt, halbe Drehung, ohne Fassung lösen; die Paare schauen nun gegen die Tanzrichtung.
T 3 u. 4: 3 Gehschritte gegen die Tanzrichtung, der vierte wird überkreuzt.
T 5 bis 8: 4 mal überkreuzen des Fußes an Ort mit jeweiligem Antreten seitwärts. Tr beginnt mit Antreten links und überkreuzen rechts, Tn gegengleich. Fassung lösen.
T 9 bis 10: Die Burschen klatschen in die Hände. Drehung mit drei Schritten, Tr links herum, Tn rechts herum; der vierte Schritt wird überkreuzt.
T 11 bis 12: Beide dasselbe in umgekehrter Richtung ohne Klatschen.
T 13 bis 16: Polka rund. Beim Wiederbeginn können die Burschen zur nächsten Tänzerin nach vorn gehen.

Der Marsch als "Schieber" 
In der Zeit der Weimarer Republik wurde dann auch der Marsch etwas Mode in unseren "Tanzlauben", den Tanzsälen der Gasthäuser. Das enge Hin und Herschieben ohne Zwischenschritt war aber den strengen Sittenwächtern - und das waren stets die Älteren auf dem Tanzboden - jener Zeit ein Dorn im Auge und passte zunächst nicht so recht in die streng reglementierte Tanzordnung.

Man stellte sich stets mit seiner Partnerin im Kreis auf, und wehe, wenn man sich nicht an diese Ordnung hielt und sich nicht gegen den Uhrzeigersinn mit dem Gesamtkreis mitbewegte. Dann tönte laut das "Roie halte!". Bei großen Veranstaltungen gab es auch zwei Kreise. Im innersten sammelten sich mehr die älteren, guten Tänzer. Die Jugend hatte aber auch außen kaum die Möglichkeit auszuscheren. Im 3. Reich tauchten sogar Uniformierte auf - so wusste es Baptist Buhmann - um darüber zu wachen, dass der inzwischen "undeutsch" gewordene Schieber nicht mehr getanzt werden sollte. Trotzdem wurde dieser einfache, enge Hin- und Hermarsch auch erfolgreich auf die Schottisch-Musik angewandt. Von der amerikanischen Musik durfte auf keinen Fall etwas gespielt und getanzt werden.

Der Marsch-Walzer
Etwas bekannter ist der auch recht gesellige Marsch-Walzer, bei dem die Tänzerinnen den Innenkreis bilden. Die Herren marschieren außen dagegen, wobei die Hände jeweils auf die Schultern des Vorderen gelegt werden. Beim Abbrechen des Marsches mitten im Stück tanzt man mit der am nächsten stehenden Partnerin einen Walzer, bis die Musik den Marsch wieder fortsetzt. Ein längerer Walzer schließt diesen Marschwalzer immer ab. Dieser Wechsel der Tanzform. die heute noch selten anzutreffen ist, geht wohl auf den Jahrhunderte alten Vor- und Nachtanz zurück, der ebenfalls geschritten und dann im Nachtanz (Dreier) gesprungen und auch gedreht wurde.

Quellen
Benz, Wolfram - Quellmalz, Alfred - Schmid, Christian - Otterbach

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