Musik und Tanz im Westallgäu

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Kurzer historischer Überblick Wolfram Benz

Für unsere Landschaft mit den selbstbewußten Freien von Eglofs und auf der Leutkircher Heide gilt die Feststellung zwar etwas eingeschränkt, doch hatten die absolutistischen Herrschaften die bereits im Mittelalter gelebten Formen demokratischer Selbstverwaltung allgemein gewaltig zurückgedrängt. Selbst die geistlichen Herren der Klöster machten bei ihren Bauern keine Ausnahme, ging doch von Kemptener Untertanen aus das Feuer des Bauernkrieges durchs Land, um von den Herren wieder erstickt zu werden. Die Reichsstädte, zu denen Leutkirch, Wangen und Isny zählten, führten ebenfalls über Zünfte und Patrizier ein strenges Regiment.

In der "Allgäu-Trilogie" von Peter Dörfler klingt die Situation dieser absolutistischen Zeit noch etwas nach, wenn er die Armut der vagierenden Musikanten im Westallgäu beschreibt, die bis um 1800 auch für Dorfbewohner mit dem Dudelsack zum Tanze aufspielten. Die Strafen für ungenehmigtes Musizieren mit Geige, Querpfeife, Hackbrett oder Harfe in einem Dorfwirtshaus zum Tanz belegen, dass sich trotz aller Einschränkung durch die Obrigkeit musikalisches Leben nicht unterdrücken ließ. Die Kirchenmusiken mit Streichern und einzelnen Bläsern (Klarinette, Horn, Fagott) begannen sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts gerade zu formieren.

Reiches musikalisches Leben wurde dagegen in den Klöstern (Isny, Bad Wurzach, Weingarten, Rot an der Rot, Ochsenhausen u.a.) gepflegt. Auch an den Höfen der weltlichen Herrschaften (Zeil, Waldburg, Trauchburg, Wurzach u.a.) eiferte man dem großen französischen Vorbild in Versailles nach. Das Menuett in Tanz und Musik ist gerade Ausdruck dieser barocken höfischen Kunst, die nicht nur in den Gärten die Natur beschnitt. In Architektur und Bild ist diese Zeit uns noch eher vertraut.
Mit der Französischen Revolution wurden Selbstbewußtsein und demokratische Tugenden bei der Bevölkerung in den Städten wie auf dem Lande wieder gestärkt. Die Auflösung von Klöstern und Herrschaften durch Napoleon hatte einen plötzlichen Niedergang ihrer musikalischen Kultur zur Folge, die allerdings in den neu gegründeten, nach demokratischem Muster verfassten Gesang- und Musikvereinen in anderer Form auflebte. Volkslied, weltliche gemischte Musikantengruppen und später die Blasmusik erhielten eine neue Bedeutung. Mit der Entwicklung der Technik ließen sich auch die Blasinstrumente durch die Erfindung der Ventile und Klappen leichter von Laien spielen.
Die Auswahl der Lieder für Chorbearbeitungen (von Silcher u.a.) und in Liederbüchern erfolgte allerdings nach recht idealistischen Vorstellungen vom "sauberen", moralisch einwandfreien Volkslied wie das Lied "Muß i denn". Trotzdem wurden die derberen mündlich überliefert und sind wie die Rückerinnerung an die historischen Franzoseneinfälle, "Bürger, stondet unter's G'wehr", teilweise heute noch bekannt. Gerne wurden zu den eigenen Liedern auch fremde Volkslieder mit aufgenommen. Zu den bekannten Ländlern und Hopsern kamen ebenso Polonaise, Schottisch (Ecossaise), Polka, Mazurka aus anderen Ländern und ergaben die "traditionelle" Mischung der Tänze des letzten Jahrhunderts nicht nur bei uns im Westallgäu.
Das Bürgertum der Städte hatte mit den Kontratänzen (Francaise u.a.) höfische Tänze übernommen. Erstaunlicherweise folgte die Landbevölkerung in den größeren Orten bald diesem Modetrend, auch wenn die Tanzmusikgruppen einfacher besetzt waren. So stammt die Musik der Polonaise zur Eröffnung des Fest-Balles bei der "Internationalen Musischen Tagung" am 13. Mai 1997 in Leutkirch aus Wohmbrechts (bei Wangen), Quadrille und Galopp aus Eisenharz und die Tanzbeschreibung der Francaise aus einem Liederbuch von Happareute bei Eglofs. Die Orchestrierung für städtisches Ballorchester erfolgte z.T. zur "Internationalen Musischen Tagung". Es sind Funde alter Musikantenhandschriften, die sich heute im Allgäu-Schwäbischen Musikarchiv in Eglofs befinden, wie die Noten zu den ländlichen Tänzen und die vielen anderen ursprünglich erhaltenen Volkslieder.
Die Bahneröffnung 1872 spielte für die Entwicklung des "Grünen Allgäus" mit einer Möglichkeit des raschen Exports der Milchprodukte und mit der Öffnung zum Fremdenverkehr eine wichtige Rolle bis in unsere heutige Zeit. Erstaunliche Parallelen hatten die beiden Weltkriege auch im regionalen Kulturleben zur Folge mit einer jeweiligen starken Amerikanisierung in der Unterhaltungs- und Tanzmusik, die im Nationalsozialismus auf die andere Seite des Pendels ausschlug, während sich heute in unserer gestärkten Demokratie neben internationaler Musik wieder traditionelle kulturelle Werte behaupten.
Schule und Musikforschung im Westallgäu
In den Nachbarländern wie Bayern und Österreich gibt es seit Jahren regionales, aufbereitetes Musiziergut und Liederbücher für Schulen, während in Baden-Württemberg dieser Bereich in den neuen Bildungsplänen der Schulen gegenüber den vorherigen kaum mehr genannt wird. Zwar steht bei den Klassen 5-7 im Anschluß an das Liederverzeichnis der Hinweis auf "Heimat- und Mundartlieder", häufiger dagegen auf Tanzlieder und Folklore aus aller Welt. Wir wissen allerdings auch, wie das Wort "Heimat" in enger Verbindung zum Nationalismus in der neueren Geschichte mißbraucht wurde. Doch zeigt die "Internationale Musische Tagung" 1997 mit dem Begriff der "Identität", daß das Sprangersche "Wurzelgefühl" noch immer seine Bedeutung besitzt. Die Bemühungen der letzten Jahre um die Landeskunde und Landesgeschichte sind dieser Zielsetzung zuzuordnen.

Meist bleibt bei der dabei oft ideologisch geführten Diskussion unberücksichtigt, daß gerade das regionale Musiziergut auch besondere methodische Möglichkeiten für das Klassenmusizieren bietet. Hier kann von einfachen Melodien, Harmonie- und Rhythmusmustern ausgegangen und weitergeführt werden bis hin zu schwierigeren Stücken, bei denen ebenfalls die Fähigkeiten der einzelnen Schülerinnen und Schüler differenzierend berücksichtigt werden können.

Der Unterschied zu unseren Nachbarländern im regionalen Musikangebot für unsere Schulen liegt mit darin, daß die Lücke in der Erforschung regionaler Lieder und Musik in Baden-Württemberg größer ist als etwa in Bayern. Während dort wie in Österreich ohne großen Einschnitt nach dem 2. Weltkrieg weitergearbeitet wurde, begann man hier im "Ländle" relativ spät, sich dieses Bereichs wieder anzunehmen. Wer die früheren Bildungspläne ernst nahm, mußte deshalb bei schwäbischen Liedern vielfach auf die Publikationen aus dem bayrischen Schwaben ausweichen: Probst, Max u.a.: Singet Leut, Allgäuer Zeitungsverlag Kempten, 1977; Beulecke, Manfred: Ob i sing oder pfeif, Allgäuer Zeitungsverlag Kempten, 1985.
Bei Musizierstücken war es ähnlich. Bayrisch-schwäbische Quellen waren schon seit längerer Zeit bekannt: Bredl, Michael: Allgäu-Schwäbisches Notenbüchle, Preissler, München, 1980 und Scheck, Wolfgang: 12 alpenländische Musikstücke für Schulen", Volksmusikpfleger des Bezirkes Oberbayern, 1983. Der Lehrer Paul Moser (Kißlegg) und Alfred Quellmalz sammelten noch bis Anfang der fünfziger Jahre heimisches Liedgut. Im württembergischen Allgäu gehörten Günter Rahn aus Isny und Hans Briegel aus Eisenharz dann wohl mit zu den ersten, die dieser regionalen Musikkultur im Westallgäu wiedernachspürten. Rahn bearbeitete die Funde teilweise und brachte sie mit seiner Stubenmusikgruppe und dem Kirchenchor wieder zum Erklingen. Um ebenfalls für die eigene Gruppe, aus der sich die Eglofser Stuben- und Tanzmusik entwickelte, und für die Schule Lieder und Musikstücke zu erhalten, begann ich nun um 1980 selbst zu suchen. Es konnte einfach nicht sein, daß die heute so blühende Musiklandschaft mit den zahlreichen Chören und Musikkapellen keine Geschichte gehabt haben sollte!
Und so war es auch: 1989 konnte ich aus diesem reichen Schatz, der immer weiter wuchs, ein erstes Lieder- und Musizierheft veröffentlichen, das Eglofser Notenbüchle, zu dem in einem weiteren Büchlein das Umfeld einbezogen wurde: Tanz-Musik-Instrumente im Westallgäu, Versuch einer Einordnung von handschriftlichen Notenfunden ins bürgerliche und ländliche Musikleben seit dem 18. Jahrhundert (Hrsg.: Geschichts- und Heimatverein Eglofs). 1990 brachte Berthold Büchele in Ratzenried, eine Allgäuer Heimatgeschichte eine erweiterte Darstellung der Musikkultur dieser Landschaft. Seine

folgenden musikalischen Veröffentlichungen sind bisher: Deftige Barockmusik aus Oberschwaben, Die Ostracher Liederhandschrift, 1993; Tänze aus Oberschwaben und dem Allgäu,Barock, 1994; Tänze aus Oberschwaben und dem Allgäu, Klassik, 1995, (alle im Verein zur Pflege von Heimat und Brauchtum Ratzenried).

Zum Landesmusikfest des Blasmusikverbandes von Baden-Württemberg in Wangen 1994 konnte ich die Tänze Musik um 1840 in Bergatreute veröffentlichen, 1996 Nicola Benz die Melodien aus alten Handschriften (Geschichts- und Heimatverein Eglofs, Allgäu-Schwäbisches Musikarchiv)
in: Wolfram Benz: Allgäu-Identität,Dokumentation zur Internationalen Musischen Tagung am 13. Mai 1997 in Leutkirch: Notenbeispiele für Streich-, Orff- und Blasinstrumente, 3-stimmige. Lieder. - Eglofs/Argenbühl, 1997, 34 S.
 

Organisation heute

Seit Januar 1996 besteht in der
Arbeitsgemeinschaft Heimatpflege im württembergischen Allgäu e.V.
die Arbeitsgruppe Musik und Tanz (Sprecher: Wolfram Benz)

Ziele der Arbeit in unserer Region:

1. Planung und Unterstützung von Veranstaltungen
2. Erstellen eines Veranstaltungskalenders für Einzelveranstaltungen (Musikantentreffen,  Tanzabende, Liederabende)
3. Bekanntgabe von wiederkehrenden Veranstaltungen (z.B. Musikantenstammtische,  Gesangsrunden u.ä.)
4. Herausgabe von Noten (z.B. aus dem Allgäu-Schwäbischen Musikarchiv in Eglofs) für  verschiedene Instrumenten- und Gesangsgruppen
5. Weitere Anregungen zur Spielpraxis
6. Ergänzung der rund 70 erfaßten Gruppen und Herausgabe einer aktuellen Liste zum eigenen Gebrauch der Gruppen
7. und zur Verwendung bei Anfragen von Interessenten und zur weiteren Werbung 
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