Die große Wende um 1800

Die Zeit des 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts war geprägt durch durch verheerende Kriege, in denen vielfach im Namen des Glaubens die Herrschaften ihren Einfluss (Absolutismus) stärkten. Die Gegenreformation ließ in der katholischen Region die prachtvollen Kloster- und Kirchenbauten der Barockzeit entstehen, denen die Herrschaften in ihren Schlossbauten nicht nachstanden. Entsprechend wurde das Instrumentarium mit Pauken, Trompeten und anderen Instrumenten verstärkt. 

Ton: Ratsherren-Menuett, Isny 1792, Isnyer Stubenmusik, 1997

Die Französische Revolution 1789 leitete schließlich den politischen Umschwung ein. Im Zusammenhang mit der Auflösung der Klöster (1803) und der kleineren Standesherrschaften (1806) durch Napoleon brach schließlich deren außerordentliche Musiktradition ganz plötzlich zusammen. Und das Volk begann, sich auf sich selbst zu besinnen. Das Bürgertum der Städte sang nun selbst Lieder zum "Fortepiano" (Klavier), zur Harfe und  Gitarre

Die Aufklärung, die geforderte Bildung für alle, zeigte sich in den Bemühungen bei der Erforschung und Weitergabe der Volkskultur. Herders Volksliedsammlung (1778/79) wurde beispielhaft auch für Friedrich Silcher (1789-1860), der im Sinne einer musikalischen Volksbildung das schlichte Lied mit dem gemeinsamen Chorsingen verband. Überall gründeten sich so die demokratischen Gesangvereine.

Noch spielte man vereinzelt auf dem Lande in den Stuben und in den Alphütten die Scherrzither, ein schlichtes, kleines Instrument. Später entwickelte sich hieraus die große "Salzburger" Zither, die für viele der Inbegriff alpenländischen Musizierens wurde. Der Siegeszug der Technik setzte sich auch hier in der Entwicklung der Musikinstrumente fort. Die Mundharmonika konnte sich kaum gegen die lautere und vielseitigere Handharmonika behaupten, die als diatonische "Knopforgel" die Stuben eroberte.

Die eigentliche musikalische Revolution hatte sich aber schon mit der Weiterentwicklung der Holzblasinstrumente angebahnt, die mit mehr Klappen melodisch und harmonisch außerordentlich beweglich wurden. Die Klarinetten, von der Militärmusik gedrillt, drängten ihrerseits die Streicher vor allem auf dem Tanzboden immer weiter zurück. Die Ausbildung der bei der Kirchenmusik wichtigen Instrumente wie Flöte, Oboe und Fagott erhielten unsere Musiker ebenso meist beim Militär. Und die noch tonkräftigeren Blechblasinstrumente begannen um 1830 mit den Ventilen - auch mit Klappen - ihren triumphalen Durchmarsch, denn erst jetzt konnte man leicht Zwischentöne zu den Naturtönen und damit die gesamte chromatische Tonleiter blasen. Schon hatten sich kurz nach 1800 (in Wangen 1803) weltliche Bläsergruppen gebildet, die oft mit Trommeln, Becken und Schellenbaum mit dem türkischen Halbmond darüber als "Türkische Musiken" bekannt wurden.

Doch zunächst spielten Streicher, Holz- und Blechbläser noch um 1840 einträchtig zusammen bei der Kirchenmusik. Daneben gründete man weltliche Musikgesellschaften mit diesem gemischten Instrumentarium. Erstaunliche Leistungen wurden erreicht, was viele hübsche Stücke vor allem aus Bergatreute beweisen. Man spielte die neuen "Klassiker" mit Opernteilen und Ouvertüren, dazu zur froheren Unterhaltung Lanner und Strauß u. v. a., und mancher Dorfdirigent komponierte selbst im Stile der damaligen Zeit. 

Internationales in Stadt und Land
Nicht nur verschiedene Musikformen und Instrumente des Hofes lebten mit dem politischen Umschwung in den Bürgerhäusern der Städte fort, auch die früher herrschaftlichen Tänze fanden stärker Eingang in die städtischen Ballsäle. 

Auf dem ländlichen Tanzboden war ebenfalls die Zeit weitergegangen. Beherrschend blieb zunächst bis etwa um 1850 der Ländler. Mit ihm waren der Schottische und die (böhmische) Polka zunächst die wichtigsten Tänze. Auch die polnische Mazurka und die Polonaise fanden ihren Weg über die Städte aufs Land. Dazu war die "Francaise" ebenfalls als früherer höfischer Tanz über die Städte ja bis in die Allgäudörfer gekommen. Noch im Jahre 1900 wirbt ein Tanzlehrer in Kisslegg für den "Tanz-Unterricht" auch in "Francaise und Lanciers". Der wichtigste Tanz wurde schließlich der Walzer, der bei der Unterhaltungsmusik mit den Märschen ebenfalls ein "Dauerbrenner" wurde. Ein Galopp war dazu als "Rausschmeißer" beim Tanz beliebt wie auch zur Unterhaltung in den großen Besetzungen.

Um 1870 hatte schließlich vielfach die reine, oft neunstimmige "Blechmusik" ihre Oberherrschaft angetreten. Später kamen dazu wieder Holzbläser bis hin zu unseren heutigen Instrumentierungen in Großorchestern, die immer mehr internationale Musiktitel mit immer erstaunlicherer Präzision meistern. Verschwunden sind viele der leisen, einfacheren Instrumente und mit ihnen die schlichten Stücke.

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