Schule und Musikforschung im Westallgäu

In den Nachbarländern Bayern und Österreich gibt es seit Jahren regionales, aufbereitetes Musiziergut und Liederbücher für Schulen, während in Baden-Württemberg dieser Bereich in den neuen Bildungsplänen der Schulen gegenüber den vorherigen kaum mehr genannt wird. Zwar steht bei den Klassen 5-7 im Anschluss an das Liederverzeichnis der Hinweis auf "Heimat- und Mundartlieder", häufiger dagegen auf Tanzlieder und Folklore aus aller Welt. Wir wissen allerdings auch, wie das Wort "Heimat" in enger Verbindung zum Nationalismus in der neueren Geschichte missbraucht wurde. Doch zeigte die "Internationale Musische Tagung" 1997 in Leutkirch, ein musischer Austausch mit den Nachbarländern Bayern, Vorarlberg und der Bodensee-Schweiz, mit dem Begriff der "Identität", dass das Sprangersche "Wurzelgefühl" noch immer seine Bedeutung besitzt. Die Bemühungen der letzten Jahre um die Landeskunde und Landesgeschichte sind dieser Zielsetzung zuzuordnen.

Meist bleibt bei der dabei oft ideologisch geführten Diskussion um den Begriff "Heimat" unberücksichtigt, dass gerade das regionale Musiziergut auch besondere methodische Möglichkeiten für das Klassenmusizieren bietet. Hier kann von einfachen Melodien, Harmonie- und Rhythmusmustern ausgegangen und weitergeführt werden bis hin zu schwierigeren Stücken, bei denen ebenfalls die Fähigkeiten der einzelnen Schülerinnen und Schüler differenzierend berücksichtigt werden können.


1. Teil eines Ländlers aus dem IMTA-Heft 1997 für Blockflöten und Orff-Instrumente ad.lib.

Der Unterschied zu unseren Nachbarländern im regionalen Musikangebot für unsere Schulen liegt mit darin, dass die Lücke in der Erforschung regionaler Lieder und Musik in Baden-Württemberg größer ist als etwa in Bayern. Während dort wie in Österreich ohne großen Einschnitt nach dem 2. Weltkrieg weitergearbeitet wurde, begann man hier im "Ländle" relativ spät, sich dieses Bereichs wieder anzunehmen. Wer die früheren Bildungspläne ernst nahm, musste deshalb bei schwäbischen Liedern vielfach auf die Publikationen aus dem bayrischen Schwaben ausweichen: Probst, Max u.a.: Singet Leut, Allgäuer Zeitungsverlag Kempten, 1977; Beulecke, Manfred: Ob i sing oder pfeif, Allgäuer Zeitungsverlag Kempten, 1985.

Bei Musizierstücken war es ähnlich. Bayrisch-schwäbische Quellen waren schon seit längerer Zeit bekannt: Bredl, Michael: Allgäu-Schwäbisches Notenbüchle, Preissler, München, 1980, und Scheck, Wolfgang: 12 alpenländische Musikstücke für Schulen, Volksmusikpfleger des Bezirkes Oberbayern, 1983. Der Lehrer Paul Moser (Kißlegg) und Alfred Quellmalz sammelten noch bis Anfang der fünfziger Jahre heimisches Liedgut. Im württembergischen Allgäu gehörten Günter Rahn aus Isny und Hans Briegel aus Eisenharz dann wohl mit zu den ersten, die dieser regionalen Musikkultur im Westallgäu wieder nachspürten. Rahn bearbeitete die Funde teilweise und brachte sie mit seiner Stubenmusikgruppe und dem Kirchenchor wieder zum Erklingen. Um ebenfalls für die eigene Gruppe, aus der sich die Eglofser Stuben- und Tanzmusik entwickelte, und für die Schule Lieder und Musikstücke zu erhalten, begann ich nun um 1980 selbst zu suchen. Es konnte einfach nicht sein, dass die heute so blühende Musiklandschaft mit den zahlreichen Chören und Musikkapellen keine Geschichte gehabt haben sollte!

Und so war es auch: 1989 konnte ich aus diesem reichen Schatz, der immer weiter wuchs, ein erstes Lieder- und Musizierheft veröffentlichen, das Eglofser Notenbüchle, zu dem in einem weiteren Büchlein das Umfeld einbezogen wurde: Tanz-Musik-Instrumente im Westallgäu, Versuch einer Einordnung von handschriftlichen Notenfunden ins bürgerliche und ländliche Musikleben seit dem 18. Jahrhundert (Hrsg.: Geschichts- und Heimatverein Eglofs). 1990 brachte Berthold Büchele in seiner Publikation, Ratzenried, eine Allgäuer Heimatgeschichte, eine erweiterte Darstellung der Musikkultur dieser Landschaft. Seine folgenden musikalischen Veröffentlichungen sind bisher: Deftige Barockmusik aus Oberschwaben, Die Ostracher Liederhandschrift, 1993; Tänze aus Oberschwaben und dem Allgäu, Barock, 1994; Tänze aus Oberschwaben und dem Allgäu, Klassik, 1995 , Vom Klosetag bis Wihnächte. Lieder und Bräuche aus dem württembergischen und bayerischen Westallgäu, 1996 (alle im Verein zur Pflege von Heimat und Brauchtum Ratzenried), Schwäbisch g'sunge, (ein Liederbuch auch für Schulen) Arbeitsgemeinschaft Heimatpflege im württembergischen Allgäu, 2000 

Zum Landesmusikfest des Blasmusikverbandes von Baden-Württemberg in Wangen 1994 konnte ich die Tanzmusiksammlung, Musik um 1840 in Bergatreute, veröffentlichen, 1996 Nicola Benz die Melodien aus alten Handschriften (Geschichts- und Heimatverein Eglofs, Allgäu-Schwäbisches Musikarchiv). 1998 erschien zum Volksmusiktag in Neuhausen bei Tuttlingen "Volksmusik in der Schule", herausgegeben vom Landesmusikrat Baden-Württemberg. In und um Sonthofen wirkt im Bereich der Schulmusik mit Schwerpunkt Volksmusik intensiv Lehrer und Musiker Hartmut Brand mit Arbeitsgruppen und verschiedenen Publikationen zur Instrumentenforschung (Raffele - Scherrzither u.a.).

in: Benz, Wolfram: Allgäu-Identität. Dokumentation zur Internationalen Musischen Tagung am 13. Mai 1997 in Leutkirch: Notenbeispiele für Streich-, Orff- und Blasinstrumente, 3-stimmige. Lieder. - Eglofs/Argenbühl, 1997, 34 S. - aktualisiert 2002

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