Schalmei und Dudelsack  
 
Ton: "Zehner", Tanz um 1500, H. Grünwald - Sackpfeife + G. Balling - Schalmei   
 

   

Bild von J.M. Weckherlin (Ulm, 1603), Abb.1

 

   Instrumente bei M. Praetorius 1619:

   3. AltPommer, 4. Discant Schalmey,
     5. KleinSchalmey 6. GrosserBock 
     7. SchaverPfeiff 8. Hümmelchen 
               9. Dudey", Abb. 2

  

"Es spielet der Hirte auf seiner Schalmei ..." -
Sollte bei uns im Allgäu eine Schalmei gespielt worden sein? Und gar der "schottische" Dudelsack, der verschiedentlich von Volksmusikanten oder historischen Gruppen bei uns zu hören ist?

Doch ist die Schalmei auf verschiedenen historischen Abbildungen oft zusammen mit dem Dudelsack auch im Schwabenland zu finden. Sie sind bei Immenstadt auf einem Ölgemälde von 1650 dargestellt, das sich im Westallgäuer Heimatmuseum in Weiler befindet. Ein weiteres Zeugnis zu Schalmei und Dudelsack im Schwabenland ist sogar die gewichtige Stimme von Pater Sebastian Sailer (1744-1777) aus Ober-Marchtal. Als Verfasser der "Schwäbischen Schöpfungsgeschichte" schrieb er auch die  deftige "Bauernhochzeit", wo es heißt:

" .. d'Buebe deand äll Juhe schreia:
dia Schallmeya gwaltig überei mit stimmt,
Hans da Dudelsack brav klimmt" (klemmt).'

Die Schalmei besitzt als Vorform der heutigen Oboe ein doppeltes Rohrblatt. Wir müssen sie uns mit ihrem scharfen Klang vorstellen wie die ähnlichen Instrumente heute noch bei den Katalanen um Barcelona oder auf dem Balkan, wo sie noch immer in verschiedenen Formen zum Tanze erklingt. Mit dem Luftsack und den weiteren Spiel- oder Bordunpfeifen wird die Schalmei zum Dudelsack.

Genauso wenig ist der Dudelsack heute nicht nur das schottische Nationalinstrument, sondern er wird in Asien, Nordafrika und Europa immer noch von den verschiedensten Völkern geblasen, von den Bretonen in Westfrankreich, den Galiciern in Nordwestspanien, den Italienern im Süden, den Südslawen, Ungarn, Tschechen und Polen. Die Egerländer spielten den "Bock", wie der Dudelsack dort genannt wird, bis 1945 nach dem 2. Weltkrieg. 

Nachbau einer Schalmei, 
hier mit Windkapsel, um das Doppelrohrblatt zu schützen

    

    "Böhmischer Bock" mit Blasebalg
          und Bockskopf, Abb. 3

     Musikant mit Platerspiel, einer Vorform
 des Dudelsacks, mit Drehleierspielerin,
            (Ausschnitt) Abb.  4
    Totentanzfiguren mit Dudelsack
  Sammlung Sohn, Landkreis Ravensburg

   

Der Dudelsack erklingt seit der Vertreibung der Deutschen aus dem Egerland als "Böhmischer Bock"  nicht nur bei Egerländer-Treffen verschiedentlich wieder in Deutschland, besonders in der Oberpfalz, sondern er hat sich auch bei anderen Volksmusikanten wieder beliebt gemacht. 

Historisch gesehen, ist der Dudelsack auf jeden Fall ein gesamteuropäisches Instrument, wenn auch seine Ursprünge im westlichen Asien vermutet werden. Genannt und nachgewiesen wird er schon einmal bei den Römern und später nach den Wirren der Völkerwanderungen erst wieder im 9. Jahrhundert. Im 10. bis 12. Jahrhundert gibt es Nachweise in England, Irland und Wales. Ab dem 14. Jahrhundert liegen auch Quellen vor zu seinem Vorkommen in Frankreich, England, Deutschland und im weiteren Europa. In der Schweiz war er bis 1530 Militärinstrument.

Eine Vorform zum Dudelsack ist das im Bild aus Wolfegg (um 1480) dargestellte Platerspiel, wo ein Luftsack aus einer Schweinsblase der gekrümmten Spielpfeife vorgeschaltet ist. Aber auch ein Anblasrohr ist vorhanden. Damit reicht der Luftvorrat schon etwas weiter als nur in den aufgeblasenen Backen, wie das Schalmeibläser schon beherrschen. Dieses Instrument war auch schon im antiken Griechenland bekannt und wird bis ins 16. Jahrhundert in Europa erwähnt.

Bettler- und Hirteninstrument
Aus den Totentänzen, den bildhaften Darstellungen des späten Mittelalters zum Thema Leben und Tod, ist auch der gesellschaftliche Stellenwert dieses Instruments zu entnehmen. Am bekanntesten sind der Basler Totentanz um 1450, die 40 Holzschnitte von Holbein um 1525 und die Füssener Bilder mit Texten von 1602. So gehörten die Drehleier wie der Dudelsack zu den "Bettler- und Lumpeninstrumenten" (M. Praetorius), die wohl durch die Mitgestaltung bei frühen heidnischen Kulten von der Kirche unter "teuflisch" eingestuft wurden. Als aufreizendes Tanzinstrument der Bettler und Vaganten, das zur "Sünde und Wollust" verführte, hatte der Dudelsack noch keinen Platz in der kirchlichen Liturgie. 

Nun taucht er aber als Hirteninstrument bei Krippendarstellungen des 16. bis zum 20.(!) Jahrhundert immer wieder auf. Aus dem ältesten schweizerischen Kalender, gedruckt in Genf 1497, stammt der Holzschnitt, "Die Hirten auf dem Feld". 

Eine solche Darstellung muss dann allerdings nicht immer ein Beweis für einen Gebrauch am Ort und zur Zeit des Künstlers sein. Diese Bilder und Skulpturen könnten ihren Grund auch darin haben, dass damals die aus Kalabrien und den Abruzzen im Advent nach Rom pilgernden Hirten vor Madonnenbildern mit ihren Dudelsäcken (Zampogna) spielten und sangen. 

Ton: "Am Bodensee" - 1534, (G. Balling), 1999 

"Anbetung des Kindes"  (Ausschnitt) mit Hirten und Dudelsack 
im Kreuzgang Heiligkreuztal bei Riedlingen

    

     Schafhirt mit Sackpfeife, 1467,

    Altar d. Hl. Wendelin, Nördlingen,                          
    

   Geschnitzter Engel mit Dudelsack,

   Kloster Ochsenhausen, Höhe 5 cm

    

      Dudelsack spielender Engel
    Schloss Achberg, Kr. Ravensburg

Die Pastoralmusik zur Weihnachtszeit (z.B. die "Pifa" aus dem "Messias" von Händel) nahm von dort Anregungen. Warum nicht auch die Maler und Bildhauer? Trotz dieser Aufwertung durch die Kirche blieb der Dudelsack das Instrument der Armen, der Hirten und Bauern. Dass er als Modeinstrument aber auch von der höfischen Gesellschaft im 16. und 17. Jahrhundert vor allem in Frankreich bei Ludwig XIV. als "Musette" geschätzt wurde, sei noch erwähnt. 

Im Allgäu und in Oberschwaben
Der erste Nachweis für den Dudelsack nun im alemannisch- schwäbischen Raum liegt uns in einer Schilderung des Konstanzer Konzils (1414-1418) vor, bei der eine Gruppe mit einem berittenen Sackpfeifer dargestellt ist. Dies deutet allerdings auch eine sozial höhere Einordnung dieses Instruments an. Auf das Beispiel im Westallgäuser Museum in Weiler von 1650 wurde schon hingewiesen. Ton 1

Wir finden aus dieser Zeit geschnitzte Darstellungen im Jörg- Zürn-Altar in Überlingen und im Vorraum des Abtzimmers von Ochsenhausen. In Ravensburg schreibt man 1662 von einem "Dudelsackpfeifer". Aus Lauingen/Donau stammt eine Abbildung einer ländlichen Tanzszene mit Dudelsack (17. Jahrh.). Im Großen Walsertal wird 1709 den "Sackpfeifern" ausdrücklich das Dudelsackspiel verboten, die als "vagierendes Geschmeiß" beschimpft werden. Und im Vorarlberger Landesmuseum in Bregenz ist sogar ein Dudelsack aufbewahrt. 

Auch der Augsburger Schwabe Leopold Mozart, Vater des Wolfgang Amadeus, lässt in seiner musikalischen "Bauernhochzeit" die Drehleier schnurren und den "kropfstimmigen" Dudelsack "dudeln", wie das von der Zeit um 1820 von Missen im Allgäu noch beschrieben wird.

Eine Überraschung birgt dazu der Rittersaal des Schlosses in Achberg, das der Landkreis Ravensburg als Besitzer seit 1988 restauriert. In der 1701 neu gestalteten Stuckdecke sind neben anderen Instrumenten vier Dudelsack spielende Engel gestaltet. Das Besondere daran ist, dass einmal zwei Spielpfeifen neben drei Stimmern oder Brummern festzustellen sind, was musikhistorisch hochinteressant ist. Die Stucktechnik lässt dazu darauf schließen, dass die Abgüsse sogar nach Originalen erfolgten.-

Indirekte Nachweise sind auch einige Spielstücke aus den alten Notenhandschriften im Allgäu-schwäbischen Musikarchiv in Eglofs. Sie lassen wegen ihrer einfacheren Melodik auf einen früheren Gebrauch durch die Sackpfeife oder auch die Drehleier schließen (Scheidegg 1807, Rankweil 1812). Auch das 1922 in Riefensberg aufgezeichnete Lied, "Maria ging in Garten" hat diesen besonderen Dudelsackklang bewahrt. Ein weiteres Zeugnis für die Sackpfeife bei uns auch auf dem Lande ist die 13. Strophe eines Liedes vom "Bauredorf", das der Lehrer und Liedersammler Paul Moser 1939 in Zaisenhofen bei Kißlegg aufgezeichnet hat. Vorgesungen hatte es ihm damals Anna Bohneberger. 
 
"Was braucht ma auf am Bauredorf,  
was braucht ma auf am Dorf? -
An Hirta, der hell blast,
a Kircha, die alle faßt,
a Leier und an Dudelsack,
an guete Rauch- und Schnupftabak. 
Des braucht ma auf am Bauredorf,
des braucht ma auf am Dorf."
Dudelsack oder Sackpfeife?
Dieser Ledersack mit den Schalmeien wird übrigens in der Schweiz "Sackpfeife" genannt und steht mehr unter diesem Begriff in unseren Lexika.  Die sprachliche Zuordnung des "Pfeifers", der in schwäbischen, schriftlichen Quellen immer wieder auftaucht, zur Sackpfeife ist zwar gut möglich, aber nicht ganz sicher. 

Hier ist wohl gleichermaßen die früher geblasene Schwegelpfeife gemeint, eine frühe Querflöte. In Österreich ist der Begriff des "Dudelsack" vorherrschend. "Duda" ist polnisch die Ziege und gibt an, dass der Sack häufig aus Ziegen- oder aber auch aus Hundeleder bestand. Diese Leder sind besonders dicht. 

Die Sackpfeife, der alemannisch-schwäbische Begriff für Dudelsack, blieb das den Tanzboden beherrschende Instrument in fast ganz Europa vom 15. bis Ende des 18. Jahrhunderts. Von einem Spieler, der meist aus der  Schar der umherziehenden Armen stammte, konnte sie nämlich mehrstimmig gespielt werden. Viel mehr als einen Musikanten konnte sich der einfache Bauer auf dem Lande aber auch bei einer Hochzeit damals nicht leisten. 

Neumodische Schwaben
Warum die Sackpfeife im schwäbischen Raum ausgestorben ist und in anderen Regionen bis heute überlebt hat, lässt sich nicht so einfach erklären. Fest steht, dass die melodisch beweglicheren Geigen und Klarinetten um 1800 mit den lauteren Blechbläsern im schwäbischen Raum und auch in anderen Gebieten das doch harmonisch verhältnismäßig eingeengte Instrument mit den wenigen Tönen verdrängten. Schließlich war wohl auch die ungenaue Stimmung aus der individuellen Fertigung nicht gut geeignet, mit anderen Instrumenten zusammenzumusizieren, wie es damals immer mehr Mode wurde. Aus den Südalpen und aus der Ost-Steiermark wird der Dudelsack noch um 1900 erwähnt. 

Eine Renaissance 
Und warum wird die Sackpfeife trotz bisherigen vergeblichen Wiederbelebungsversuchen nun heute doch wieder gespielt? - Ist die Übersättigung an perfekter Synthesizermusik heute mit schuld? -
 
      

     Eglofser Stuben- und Tanzmusik
   1991 im Bauernhofmuseum Wolfegg
         mit Schwäbischer Sackpfeife

Man muss nur den aufreizenden Klang der Melodiestimme einmal erlebt haben. Dazu kommt der Bordun, der stets gleichbleibende Begleitton der Brummer. Oft sind dies zwei im Quintabstand ("Dudelsackquint") gestimmte Töne, die Spätentwicklung bei den Dudelsäcken ab etwa 1500. Es kann aber auch nur ein einfacher Bordun sein, der als Grundton mitklingt, oder aber zwei im Oktavabstand gestimmte Töne. 

Ein neues, altes Klangerleben
Es gibt keine Lücke im Klangbild, da Melodieschalmei und Bordun über den Luftsack ununterbrochen angeblasen werden. 

Dieser Ledersack wird von Zeit zu Zeit - über einen Blasebalg beim "Bock" oder über das Anblasrohr - mit Luft versorgt. Die Melodie bewegt sich dabei wohlklingend im Bereich der Tonika und dissonant, wenn die Harmonik der Melodie in den Dominant- und Subdominantbereich wechselt. Das ergibt eine reizvolle Spannung, die beim Orgelpunkt, dem durchgehenden Orgelton bei der Kirchenmusik, allgemein bekannt ist.

Ist es dazu die reine Stimmung (echte Naturtöne) der Quinten, Oktaven und der anderen Töne gegenüber der temperierten (mathematisch "geglätteten") unserer Klaviere und chromatischen Instrumente? Oder der Wechsel, wenn sich scharfe Dissonanzen im warmen Wohlgefallen der reinen Akkorde dann wieder auflösen? Es entzieht sich unserem Bewusstsein, was dieses besondere archaische Klangerleben ausmacht.

Entscheidend dafür ist allerdings auch das Können des Bläsers. Zwar braucht er nur die einfachen Blockflötengriffe zu beherrschen, aber der gleichmäßige Druck auf den Luftsack ist doch recht schwierig. Ein gutes Instrument ist dafür aber ebenso Voraussetzung.

Spielmöglichkeiten heute und in der Zukunft
Im schwäbischen Raum baut der aus Ostdeutschland stammende Andreas Rogge in Tübingen Dudelsäcke und ebenso hauptberuflich Helmut Mossmann im Schuttertal im Schwarzwald, der sein Wissen um den Dudelsack und dessen Spiel von Tibor Ehlers vermittelt bekam. Dieser hat sich ganz besonders um diese letzte deutsche Tradition aus dem Egerland angenommen. So können heute Dudelsack und mit ihm die Schalmei wieder dort erklingen, wo sie über lange Zeit verschwunden waren.

Ton: Markgröninger Schäfermarsch (M.Schäfer, A. Schneider), Balingen, 1997

Literatur
Bachmann-Geiser, Brigitte: Die Volksmusikinstrumente der Schweiz. Handbuch der europäischen Volksinstrumente, Serie I, Bd. 4, Atlantis, Zürich (C  VEB)1981
Benz, W.: Tanz-Musik-Instrumente im Westallgäu, Geschichts- u. Heimatverein Eglofs 1989.
Benz, W.: Der Dudelsack im Oberland

in: Im Oberland. KULTUR, GESCHICHTE, NATUR. BEITRÄGE AUS OBERSCHWABEN UND DEM ALLGÄU, Heft 1, S. 51-55, 1993.
Behrendt, J.E.: Nada Brahma - Die Welt ist Klang, Frankfurt 1983.
Böhm, R.: Der Füssener Totentanz, Füssen 1990.
Busch, G.: Die Musikinstrumente in Tiroler Krippen, in "Volksmusik im Alpenland", Wien 1978.
Hermann, M:  Die Totentänze,  in "Der Heimatpfleger" 8.J. Nr.3., Unterensingen 1991, S.12.
Klier, K.M.: Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen, Kassel 1956.
Midgley, R. u.a.: Musikinstrumente der Welt, Bertelsmann Verl., 1979.
Nagel, A.: Armut im Barock, Weingarten 1986.
Riemann: Musik-Lexikon, Schott Verlag Schneider, E.: Vom Dudelsack zur Blasmusik, in: Blasmusik in Vorarlberg, Lustenau.
H.: Sepp, E.: Der Dudelsack in Europa mit besonderer Berücksichtigung Bayerns. Bayerischer Landesverein für Heimatpflege. München 1996.
Schmidt, E. E.: Sackpfeifen in Schwaben. Die Wiederentdeckung eines vergessenen Volksinstrumentes. Schwäbisches Kulturarchiv des Schwäbischen Albvereins. Stuttgart 1997.

Bildnachweis
Abb. 1: Schmidt, S. 87 - Abb. 2: Praetorius, Bd. II, Taf IX - Abb. 3: Schmidt, S. 123
Abb. 4: Mittelalterliches Hausbuch von 1480, Archiv Schloss Wolfegg - Abb. 5: Schmidt, S. 13

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