Die Familie der
Streichinstrumente
Die Geige
(Violine)
Ton:
Walzer
Nr 1, aus Eisenharz, gespielt von der
Eglofser Stuben- und Tanzmusik, 1989
Bau und Benennung
der Teile einer Geige,
im Prinzip seit über 300 Jahren gleich geblieben
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Fidel, Nachbau
nach einem Bild von
Hans Memling (1433-1494),
Klangwerkstatt Markt Wald
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Die Violine hat sich
zunächst mit nur 3 Saiten vermutlich im 2. Viertel des 16. Jh. aus
verschiedenen Streichinstrumenten entwickelt. Sie besaß in ihrer
Frühform vor allem Elemente des Rebec (bundloses Griffbrett, 3 Saiten in Quintstimmung, seitenständige Wirbel in einem Wirbelkasten) und Merkmale der
Lira da braccio
(Korpusform, abgesetzter Hals und f-Löcher). Einzelne
charakteristische Merkmale der späteren Violine (wie Schnecke,
Viersaitigkeit, Wölbung und Hohlkehle sowie Randüberstand von
Decke und Boden) lassen sich bereits in Darstellungen des ausgehenden
15. Jh. nachweisen. Obwohl die Bezeichnung Violine zuerst in
französischen Quellen erscheint, entstand das Instrument selbst
wohl in Oberitalien. Auch der Einfluss der Lautenbauer Tieffenbrucker
aus Rosshaupten bei Füssen spielte dabei eine Rolle.
Die Violine wurde vermutlich nicht als Sopraninstrument eines bereits vorhandenen Altinstruments (der
Viola da braccio)
entwickelt, sondern es ist wahrscheinlicher, dass die ganze Familie mit
Diskant-, Alt- und Bassinstrument ungefähr zur gleichen Zeit
entstand, denn alle 3 Instrumente stellte bereits Gaudenzio Ferrari
1535/36 auf einem Fresko im Dom zu Saronno (bei Mailand) dar. Um 1550
erhöhte sich die Anzahl der Saiten auf 4, die in Quintstimmung
erstmals von Ph. Jambe de Fer 1556 erwähnt werden. Zu den
frühesten erhaltenen Instrumenten gehören Violinen von
Gasparo da Saló (Brescia) und Andrea Amati (Cremona), auf den
die klassische Form der Violine zurückgeht. Ihre idealen, bis
heute eingehaltenen Korpusmaße fand 1713 A. Stradivari, dessen
Instrumente jedoch wie die meisten älteren Violinen in anderen
Teilen gegen 1800 umgebaut wurden. Die Saiten erhielten eine
höhere Spannung und wurden länger, so dass Hals und
Griffbrett ebenfalls verlängert werden mussten. Wegen des
gleichfalls erhöhten und stärker gewölbten Steges
änderte sich der Winkel der Saiten über dem Griffbrett,
weshalb Hals und Griffbrett eine Neigung nach rückwärts
erhielten. Zusätzlich musste wegen des nun stärkeren Druckes,
den der Steg auf die Decke ausübte, der Bassbalken verstärkt
werden.
Sonderform mit
geschnitztem
Beethovenkopf statt der Schnecke und
mit
dunklem Lack
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geschnitzter
Beethovenkopf
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Die Violine wurde bis um 1750 in sehr unterschiedlicher Haltung
gespielt. Man hielt sie waagerecht, leicht abwärts geneigt oder
fast senkrecht gegen Brust oder Schulter, manchmal auch gegen den Hals
gestützt.
Im 18. Jh. benutzte man zunehmend auch das Kinn zum Festhalten des
Instruments, meistens aber rechts vom Saitenhalter,
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während heute das Kinn links
vom Saitenhalter auf einen aufgesetzten Kinnhalter gestützt ist.
Dieser wurde jedoch erst von L. Spohr (1820) erfunden. Bis zur
endgültigen Herausbildung des modernen Bogens durch Fr. Tourte um
1785 wurden sehr unterschiedliche Bögen benutzt. Sie sind mit
Rosshaaren bespannt und werden mit einem besonderen Harz, dem
Kolophonium, bestrichen. Der Bogen bringt die Saiten beim Streichen zum
Schwingen.
Neben dem
Legato-, Spiccato- und Staccato-Spiel ist auch schon früh das Pizzicato
(gezupft) mit der rechten Hand nachzuweisen. Der Klang der Violine verändert sich durch das Aufsetzen eines
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kammähnlichen Dämpfers auf den Steg, andere Möglichkeiten sind das Anstreichen der Saiten nahe dem Steg oder das Streichen bzw. Klopfen der Saiten mit dem Holz des Bogens (col
legno). Da nahezu alle alten Violinen, den späteren Anforderungen entsprechend, umgebaut wurden,
lässt sich auf ihnen wie auf den modernen Violinen die Musik aus der
Zeit vor 1800 kaum spielen. Deshalb werden heute zum authentischen Spiel
alter Kompositionen wieder Violinen mit alten Mensuren gebaut. In der
Konzertmusik nahm die Violine seit ihrem Auftreten eine immer
stärkere Stellung ein. Viele Komponisten erlernten
das Violinspiel und
schrieben immer technisch schwierigere Stücke, die mit Niccolo
Paganini (1782-1840) einen Höhepunkt fanden. Seine eigenen
Kompositionen interpretierend eroberte er als artistischer
"Teufelsgeiger" die Konzertsäle Europas.
In der Volksmusik setzte sich
der Begriff Geige durch (eigentlich im gesamten deutschen
Sprachraum) als
das germanische Wort von "giga" - von "geigan"
= hin und her bewegen. Fiedel, Rebec, schließlich
das kleine Tascheninstrument, die Pochette wurden ebenfalls als Geigen
bezeichnet. Seit ihrem Auftreten ist sie eng mit der Tanzmusik
verbunden. Bei den alpenländischen Ländlern und Walzern
ist sie das dominierende Element. Zigeuner entwickelten einen eigenen
Violinstil und auch bei der norwegischen, schwedischen,
schottischen und amerikanischen Volksmusik ist sie das typische
Instrument.
In der Kirchenmusik in unserem Raum war - wie
heute noch oft bei der Kammermusik - im Konzertsaal der erste Geiger
meist auch der Dirigent oder Leiter der Gruppe, was ebenfalls bei
den kleineren Tanzmusikbesetzungen der Fall war. Die
Geige war es eigentlich, die mit der Klarinette bei uns Drehleier und Dudelsack verdrängte.
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Kriegsveteran als Tanzmusiker J.B. Pflug
1842
(Ausschnitt) |
Sie wiederum musste
schließlich vielfach den im 19. Jahrhundert aufkommenden
Handharmonikas in den Wirtshäusern und Bauernstuben und auf dem
Tanzboden den kräftigeren Blechblasinstrumenten weichen. Im
Kirchenmusikbereich haben sich kleinere
Streichergruppen länger gehalten bzw. immer wieder neu gebildet.
Erst in den letzten Jahren konnte die Geige
bei Stubenmusikgruppen und
Zuhörern wieder mehr Gefallen finden, sind doch Klang und
Ausdrucksfähigkeit dieses Instruments der menschlichen Stimme am
nächsten.
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Der
Geiger Ilgentoni
von J.B. Pflug, 1838
(Ausschnitt) |
Die Viola (Bratsche)
Die Bratsche (italienisch
braccio = Arm) ist die größere Schwester der Geige und wird ebenfalls
wie diese normalerweise mit der linken Hand gehalten und mit dem Bogen
in der rechten Hand gestrichen. Die Quintstimmung der Geigensaiten wird
durch eine weitere, tiefere Saite C fortgesetzt, dafür fehlt die hohe
E-Saite.
In erster Linie füllen die
Bratschen harmonisch den Tonraum zwischen der Melodie
und den Bassstimmen, doch haben sich berühmte Komponisten und
Interpreten sich dieses weich und voll klingenden Streichinstruments
angenommen. Yehudi Menuhin, der erst verstorbene Geigenvirtuose,
liebte dieses Instrument besonders.
In der Volksmusik hat die
Bratsche bei kleinen, reinen Streichergruppen die Aufgabe, den
harmonischen Nachschlag zum Hauptschlag des Basses zu bringen, der dann
wesentlich voller als der einer Nachschlaggeige klingt.
Das Cello (Violoncello)
Der Name Violoncello,
deutsche und englische Kurzform Cello, lässt sich erst in der 2.
Hälfte
des 17. Jahrhunderts nachweisen. Bis ins 18. Jahrhundert hinein war die
Benennung dieses Instruments in der Tenor- Basslage ebenso uneinheitlich
wie ihre Größe. J. S. Bach forderte in der 6. Solosuite für
Violoncello ein 5saitiges Instrument. Erst mit A. Stradivari seit etwa
1710 erhielt es seine heute noch gültigen Maße (Korpuslänge 75-76
cm). Aber wie bei der Geige und Bratsche wurden gegen 1800 Hals und
Griffbrett etwas verlängert, der bisher gerade Hals nach hinten geneigt
und der Steg stärker gewölbt und erhöht. Auf den in Quinten gestimmten
Saiten lassen sich etwas mehr als 4 Oktaven spielen.
Auch hier hat sich die
bei der Haltung des Instruments im Laufe der Zeit vieles verändert. Es
kann wegen seiner Größe nur aufrecht gespielt werden. Der Stachel zum
Aufstützen auf den Boden wurde erst um 1860 gebräuchlich. Cellokonzerte
wurden vielfach auch von den Spielern selbst komponiert. In den
Streichquartetten der großen Komponisten ist sie gleichberechtigt zu
den anderen 3 Streichinstrumenten.

Die
Eglofser Stuben- und Tanzmusik (1982-1998),
hier beim Museumsfest 1994 in Wolfegg, mit
einer fast
typischen
Appenzeller Besetzung: 2 Geigen, Hackbrett, Cello,
Kontrabass
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Eher als die Bratsche ist das Cello
bei Volksmusikgruppen anzutreffen. Hier übernimmt es, wenn der
Kontrabass fehlt, oft die Bassfunktion,
lässt sich aber auch als Melodieinstrument oder als
Nachschlaginstrument prächtig einsetzen. So ist das Cello besonders bei der
Appenzeller Musik beliebt mit ihrem unverwechselbaren
Streicherklang, in das sich melodisch, aber auch solistisch ein
Hackbrett mischt. |
Der Kontrabass
(Bassgeige)

Viola da gamba,
bei Praetorius, 1619
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Die
"Bassgeige" ging aus dem tiefsten Instrument der Viola da
gamba-Familie hervor und besitzt bis heute noch wichtige Merkmale dieser
Familie: den flachen nach oben abgeschrägten Boden, die hohen Zargen
und einen im Verhältnis zum Korpus kurzen Hals, der bis um 1800 noch
mit Bünden ausgestattet war. Es gab Instrumente mit 3-6 Saiten. Die
Stimmung ist nach Quinten E1,
A1, D,
A. Je nach Komposition verfügen Orchester auch über 6-saitige Bässe
mit einer weiteren tiefen Saite in C1.
Erst seit 1863 wird mit dem konkaven
Bogen - vielfach mit schwarzen Rosshaaren - in der heutigen Bogenhaltung
gespielt. Die Schrauben- und Schneckenmechanik zum Stimmen der Saite
gibt es seit 1772. In Süddeutschland und in Österreich war das
kleinere, 3saitige Basset verbreitet, das in der Volksmusik viel
Verwendung fand und auch heute wieder dort anzutreffen ist.
Im
klassischen Orchester wurde der Kontrabass meist oktavierend zum Cello
verwendet, d.h., dass er die gleichen Noten wie das Cello spielt, nur
aber um eine Oktave tiefer klingt. Im süddeutsch-österreichischen Raum
war im 18. Jahrhundert der Kontrabass im Kirchentrio neben 2 Violinen
allein das Bassfundament.
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In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
bekam er von den klassischen Komponisten stärkere solistische
Funktionen zugeteilt, was sich bis ins 20. Jahrhundert hinein
bei den "Modernen" fortsetzte (Hindemith, Henze,
Penderecki, Ligeti). Seit dem 19. Jahrhundert wird er in
einer eigenen Notierung geführt, auch in der Partitur. Gezupft ist er
von der Tanz- und Unterhaltungsmusik nicht wegzudenken und spielt
eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Jazz. Seine Aufgabe
als Bass- und Soloinstrument wird dabei zunehmend vom elektronisch
verstärkte E-Bass übernommen.
Bei der Volksmusik bildet
er meist das harmonische Fundamentum als Grundbass bei den Akkorden,
gestrichen, aber auch gezupft. Wechselbässe stellen erst eine
neuere Entwicklung dar, die in der volkstümlichen Musik eher
angewandt wird. Bei traditionellen Stücken auf dem Tanzboden der
Volksmusikanten kann der Kontrabass auch solistisch bei
Harmonieübergängen hervortreten.
Quellen
Das große Lexikon der Musik - Heinlein, Stefan - Praetorius,
Michael - Müller, Fabian: Das Cello in unserer Volksmusik,
Musig-Schür, Nr. 5,
C.Schmid,CH-Adliswil,1992
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Bassettspieler mit Trompeter
bei einer Hochzeit auf der Schwäbischen Alb, 1873/74,
aus einem
Gemälde
von Joh.Sperl
(Ausschnitt)
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