Kloster- und Kirchenmusik

Ton: Gregorianischer Choral - Kyrie, Messe zu Pfingsten, Schola Cantorum Amsterdam

Die Klöster waren im Mittelalter nicht nur Ort der Besinnung und Ausübung der Glaubensregeln sondern auch Bildungsstätte für verschiedene wissenschaftliche und kulturelle Bereiche von der Agrikultur bis zur Musik. Die  geistlichen Gesänge in Kirchen und Klöstern entfernten sich jedoch immer weiter vom römischen, gregorianischen Muster, weshalb der Wunsch der Kirchenführung in Rom  immer stärker wurde,  im gemeinsamen christlichen Abendland die individuellen und regionalen Ausuferungen zu begrenzen. Denn die Weitergabe vom Lehrer auf den Klosterschüler erfolgte um 1000 noch immer mündlich, auch wenn Handbewegungen, durch Punkte 

  
Ausschnitt aus einer Isnyer Pergamenthandschrift,
Graduale, ein Gesang der Messe um 1200, mit Neumen, deren Melodie heute nicht mehr zu rekonstruieren ist. 
(In der Prädikantenbibliothek)

und Linien auf dem Pergament angedeutet, die Neumen, dabei halfen. Eine allgemein verbindliche Notenschrift fehlte noch. Neben dem später erfolgreicheren Italiener Guido von Arezzo konnte sich ein genialer oberschwäbischer Mönch, Wissenschaftler, Philosoph, Geschichtsschreiber, Dichter, Musiker und Musiktheoretiker auf der Insel Reichenau in der Musikgeschichte einen Namen machen. 
  

     
Hermann, der Schöpfer des Salve Regina, 

hier ein Bild auf einer Ofenkachel 
im Kloster Reichenau, Abb.1
  

Es war der aus Altshausen stammende, schwer körperbehinderte Hermann von Altshausen (1013-1054), dessen Bruder Manegold 1096 das Isnyer Kloster gründete. Als Hermannus Contractus, deutsch Hermann der Lahme, erfand er mit seinen Intervall-Chiffren als Buchstabenfolgen eine genial einfach Möglichkeit, die Auf- und Abbewegung einer gregorianischen Choralmelodie mit ihren Intervallen absolut anzugeben. Dabei gaben Buchstaben den Intervallschritt nach oben oder mit Punkt nach unten an. Dieser einstimmige Gregorianische Choral prägte viele Jahrhunderte lang das Musikleben der oberschwäbischen Klöster.
Als Musikinstrument war die Orgel neben dem Gesang schon im 16. Jahrhundert in allen Klosterkirchen vorhanden, neben der nur wenige Instrumente (Bassgeige, Fagotte) in den Akten bei Reparaturen vermerkt sind. Ihre Blütezeit entfaltete sie erst später im 18. Jh. mit dem Bau der großartigen Orgeln von Gabler (Weingarten, Ochsenhausen, Maria-Steinbach u.a.) und Holzhay (Rot an der Rot, Weissenau u.a.), nachdem viele der alten Orgeln in den Kriegswirren zerstört worden waren.

    
Seite aus dem berühmten 
Straßburger Gesangbuch von 1541

Einfluss auch auf die Kirchenmusik hatte natürlich die Reformation mit Martin Luther. Die Stadt Isny  war über den Einfluss des Schulmeisters Paul Fagius evangelisch geworden und geblieben, wo eine wertvolle Bücherei aufgebaut wurde, die bis heute in der Prädikantenbibliothek in der Nikolaikirche auch für die Musik bedeutende Schätze birgt (s.o.). 

Hier zeigt eine Seite aus dem berühmten Straßburger Gesangbuch von 1541 mit "Vom Himmel hoch" die Bedeutung des Liedes mit deutschem Text als  gesungenes Evangelium. Es  entwickelte sich im lutherischen Bereich die Motette bis zu den späteren Kantaten und Oratorien und eines Johann Sebastian Bach, der ebenfalls wie in der katholischen Kirche das Instrumentarium im Gottesdienst vergrößerte und erweiterte. 1761 konnten die Isnyer sogar ein eigenes  "Isnyer Gesangbuch" in Druck bringen.

Von größerer Bedeutung in unserem Gebiet aber blieb die katholische Kirchenmusik.

Die die sich entwickelnde Mehrstimmigkeit der Musik im weltlichen Bereich war zunächst von der Geistlichkeit eher als "unnützes Geräusch" betrachtet worden. Über mehrstimmige Motetten fand sie nun aber um 1600 auch langsam Eingang in die Klöster und Kirchen. "Erste bedeutende Zeugnisse sind uns von den Weingartner Komponisten Jakob Reiner, einem Schüler des berühmten Orlando di Lasso, und Kraf überliefert, von denen sogar Werke im Druck erschienen. Ähnlich bedeutend war der Komponist Baudrexel aus Füssen."1

Den wirklichen Höhepunkt erreichte die Kirchenmusik in Oberschwaben erst im 18. Jahrhundert, nachdem die verheerenden Kriegszeiten des 17. Jahrhunderts mit dem 30jährigen Krieg und dessen Folgen über- wunden waren.  Die Begeisterung, mit der man im Zusammenhang mit der Gegenreformation "Kirchen und Klöster im Barockstil umbaute oder ganz neu errichtete, schlug sich auch in der Kirchenmusik nieder. Und ähnlich wie in der Architektur war der Musikstil des Barock stark von Italien beeinflusst. 

      
Das Innere der Barockkirche in Eglofs (von 1756), 
auch die Eglofser Bauern zeigten
Selbstbewusstsein

Maßgeblich dabei war die Bedeutung des konzertanten Gesangs und die Verwendung konzertierender Instrumente. Zwar wehrte sich der Weingartner Abt Wegelin noch im 17. Jahrhundert gegen die Verwendung der Instrumente in der Kirche mit dem Ausspruch: 'Eure Musik bringt euch in die Hölle', doch den Siegeszug der Instrumente auch durch die oberschwäbischen Klöster und Kirchen konnte er nicht aufhalten. Allerdings schreibt noch 1701 ein Chronist der Illergegend, dass auch die Leute ausriefen, als zum ersten Mal Pauken und Trompeten im Gottesdienst erklangen: "Was wird alles noch kommen? Was würden die guten alten Patres sagen, wenn sie sehen würden, daß bald in jedem Dorfe eine vollständige Janitscharenmusik eingerichtet und bei der Kirchenmusik mitwirkend ist."

Erst am Ende der Barockzeit und im Beginn der klassischen Epoche - also um 1750 - nahm Süddeutschland in musikalischer Hinsicht Italien die Führungsrolle ab. In dieser Zeit kamen mehrere Faktoren zusammen, die diese Entwicklung begünstigten. Der allmählich sich anbahnende politische Wandel, der zur Entmachtung des Adels mit gleichzeitiger Aufwertung der bürgerlichen Schichten führte, zog auch musikalisch eine Verbürgerlichung nach sich, die - beeinflusst durch Jean-Jacques Rousseau und andere Philosophen - das neue Ideal der Einfachheit und Natürlichkeit forderte und auch geschickte Laien zum Komponieren animierte.

An dieser musikalischen Verbürgerlichung hatten österreichische Komponisten wie z.B. Haydn maßgeblichen Anteil, ganz besonders auch böhmische Komponisten wie Stamitz, Brixi und F.X. Richter, die in Wien, Mannheim und anderen Städten Europas nicht zuletzt durch ihren herzhaft-bäuerlichen Ton der Menuette für Aufsehen sorgten und damit auf friedliche musikalische Art die höfischen Ideale untergruben. Auch die Verwendung der Hörner und Klarinetten im Orchester ist ihnen zu verdanken, was in der Besetzung der Kirchenmusiken und der später gegründeten Blaskapellen auswirken sollte. Süddeutschland und mit ihm Oberschwaben wurde so zu einem Zentrum des modernen Musikstils.

Ein weiterer Faktor war, dass der um 1755 von Breitkopf erfundene Notendruck mit zusammensetzbaren Notentypen zu einem lebhaften Notentausch führte. Noten waren nun leichter erschwinglich und gelangten so im Original oder in Abschriften in viele Klöster. 

Ton : Introitus, Requiem in Es, M. Rottach, 1751, Oberschwäbischer Kammerchor, SWF-Sinfonieorchester, Lt. Erno Seifriz

Diese Konstellation der Verbürgerlichung, der süddeutschen Führungsrolle und der zahlreichen Notendrucke erklärt nicht nur, dass in vielen Klöstern Werke von österreichischen und böhmischen Komponisten bekannt waren; sie erklärt auch, warum es in vielen Klöstern komponierende Mönche gab, die sich autodidaktisch oder durch Ausbildung an den neuen Stil anlehnten und Tausende von Werken schufen, die in den Klöstern aufgeführt wurden. Der kulturelle Konkurrenzkampf und Ehrgeiz unter den Klöstern trug noch das seine dazu bei. In Salem wirkten Andreas Heichlinger und Franz X. Schlecht, in Hofen am Bodensee der Leutkircher Meingosus Rottach, in Weingarten der aus Buch bei Tettnang gebürtige Meingosus Gaelle, in Kempten Th. Eisenhuet, in Ottobeuren, wo der sehr an Musik interessierte Abt Rupert Ness aus Wangen regierte, die Wurzacher F.X. Schnizer und Christadler sowie die Wangener R. Weiß und H. Reich, in Isny der Abt J. Gaumer, in Ochsenhausen Aemilian Rosengart, in Rot a. d. Rot Nikolaus Betscher, in Zwiefalten Ernest Weinrauch, in Obermarchtal Isfried Kayser und Sixtus Bachmann, im Wengenkloster (Ulm) Josef Lederer - alles Mönchs-Komponisten, die damals in Oberschwaben einen guten Ruf hatten, heute aber mehr oder weniger vergessen sind.

Zur Aufführung dieser Werke gab es in jedem Kloster einen Chor und ein Orchester. Damit waren die Klöster bedeutende musikalische Zentren. Talentierte Sängerknaben und Instrumentalisten fanden hier die einzige Möglichkeit, sich musikalisch weiterzubilden. Wie hoch das Niveau teilweise gewesen sein muss, ersieht man aus der Tatsache, dass die Schüler von Ottobeuren jeden Tag zwei Stunden Gesangs- und Instrumentalunterricht bekamen. Fast jeden Tag wurde entweder eine Kirchen-, Fest-, Tafel- oder Opernkomposition aufgeführt.

Der Einfluss der Klöster auf Städte und Dörfer

Die musikgeschichtliche Entwicklung vom Spätbarock zur Klassik, von der Künstlichkeit zur Einfachheit, die sich in den oberschwäbischen Klöstern im 18. Jahrhundert abzeichnete, wurde - mit einiger zeitlicher Verzögerung - auch in den Städten und Dörfern maßgeblich. Gerade an der musikalischen Ausstrahlung der Klöster auf das Umland wird deutlich, welch immense kulturelle Bedeutung den Klöstern damals zukam.

In der heutigen Zeit, in der manche Dorfkirchenchöre ums Überleben kämpfen und an Nachwuchsmangel leiden, scheint die damalige Musikblüte auf den Dörfern kaum glaublich. Vor rund 200 Jahren, in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, erwachte nämlich das Volk auch in musikalischer Hinsicht aus der Bevormundung und riss die Eigeninitiative an sich. In einer Zeit grenzenloser Musikbegeisterung begannen auch einfache Leute auf dem Dorf, angeregt durch die umliegenden Klöster, ein Instrument zu erlernen, und in vielen Dorfkirchen gründeten die Dorflehrer, die seither ja immer schon auch Organisten gewesen waren, einen Kirchenchor und ein Kirchenorchester, um Messen, Offertorien, Motetten und Kantaten musizieren zu können.


        
Das Dorfmusikantensextett, 
2 Naturhörner, 2 Violinen, Bratsche (?),
Kontrabass, Abb.2

Dokumente dieser eindrucksvollen Blüte bieten die Pfarr- und Kirchenarchive mit den dort teilweise noch lagernden Notenbeständen sowie die Kirchenrechnungsbücher und -inventare des vorigen Jahrhunderts, die einen guten Überblick über die damals vorhandenen Noten und Instrumente geben. Auch hier zeigt sich der Einfluss der oberschwäbischen, österreichischen und böhmischen Komponisten sowie der Aufschwung des Notendrucks. Außerdem wird belegt, dass die Dorforchester meist mit Streichern und 2 Hörnern besetzt waren. Diese Besetzung, in Hunderten von Kirchenmusikstücken verlangt, wurde geradezu typisch für die Dorfmusik. Mozart hat in seinem "Musikalischen Spaß" ja eine köstliche Parodie auf ein solches Dorfmusikantensextett geliefert. Manchmal kamen zu diesem Dorfmusikstamm noch zusätzlich Flöten, Klarinetten, Oboen, Trompeten und Pauken hinzu - Instrumente, die seit dieser Zeit auf den Dörfern zu Hause sind.
 
In der Wangener Spitalkirche sind alle diese Instrumente (außer die Klarinetten) an der Emporenbrüstung verewigt und künden noch von dieser einstigen Blüte der oberschwäbischen Kirchenmusik. Von der Begeisterung für die Kirchenmusik und für die dort geforderten Instrumente profitierte aber auch die Volksmusik. Auch hier wurden nun die Instrumente verwendet, die man bei der Kirchenmusik brauchte, und manche Tanzsammlungen in dieser Besetzung machen deutlich, dass die Musiker nach der Messe mit denselben Instrumenten, mit denen sie eben die Messe begleitet hatten, zum Tanz aufspielten.

Daneben gibt es auch Sammlungen mit Märschen und Tänzen, die schon reine Blasmusik dokumentieren, allerdings vorwiegend noch mit ventillosen Trompeten, Hörnern und mit Posaunen besetzt.

 Geige, Harfe, Fagott, Oboe, Klarinette, ... Laute
        Naturhörner und Naturtrompeten
in der Spitalkirche in Wangen

Einen interessanten Beleg dafür liefert ein Bild von 1817, das sich im Rathaus Wangen befindet und auf dem die damalige Wangener Blasmusik mit solchen Trompeten und mit Pauken abgebildet ist."1

Auflösung der Klostermusik und die "Aufklärung" in der Kirchenmusik

Die Säkularisation (1806), d.h. die gewaltsame Auflösung der Klöster, zerstörte diesen musikalischen Höhepunkt in der Kulturlandschaft. Die Klöster mit deren Grundbesitz wurden an Grafen und Fürsten als Ersatz für ihre verlorenen linksrheinischen Gebiete weitergegeben. Die Mönche wurden verjagt, die Noten "verschleudert oder in entfernte Archive abtransportiert. Mancher Mönch, bisher im Kloster als Musiker tätig, fand in den neugegründeten Kirchenchören der Umgebung eine Aufgabe. Alois Schmid von Bergatreute, der im Wolfegger Augustinerchorherrenstift seine theologische und musikalische Ausbildung genossen hatte, war z.B. nach Auflösung des Stifts als Kaplan und als Komponist für den Wolfegger und Rötenbacher Kirchenchor tätig."1 Auf diese Weise erhielt die Musik in den umliegenden Dorfkirchen sicher weitere wertvolle musikalische Anregung und Unterstützung.

Eine theologische "Aufklärung" der katholischen Kirche, der Cäcilianismus", wandte sich schon vor dem 19. Jh. gegen die bisherige Kirchenmusik, die als "profan" und "geschmacklos" bezeichnet wurde. Ein protestantischer württembergischer König hatte ebenfalls für die katholische, österreichisch- oberschwäbische Kirchenmusik kein Verständnis. Eine von diesem ins Leben gerufene Behörde, der "Katholische Kirchenrat", bekämpfte die reiche figurierte Kirchenmusik, von der in  den Kirchenarchiven die Noten z.T. noch erhalten sind.


Dorfmusikanten Anfang des 19. Jh. in der Kirche

Der Chorgesang der katholischen Kirche sollte wieder dem mittelalterlichen gregorianischen Ideal und der späteren Polyphonie angenähert werden, schlicht und eher wieder in der lateinischen Sprache. Die Orgel erhielt im Gottesdienst und bei der Chorbegleitung eine stärkere Rolle. Damit fehlte den Kirchenmusikanten die finanzielle Unterstützung, und die meisten Streichinstrumente wanderten auf den Dachboden, auch wenn sich viele Gemeinden noch lange gegen diese Umwälzung wehrten. 

Franz Xaver Witt (1834-1888) kämpfte weiter gegen "die bestehende seichte Kirchenmusik-Pflege"..."und gründete auf dem Katholikentag zu Bamberg 1868 den Allgemeinen Cäcilienverein für die Länder deutscher Zunge. Dieser wurde1870 durch Papst Pius IX. im Breve »Multum ad commovendos animos« bestätigt. Die rasche Verbreitung dieser Organisation und ihre Stoßkraft schufen einen neuen Abschnitt in der kirchenmusikalischen Reformbewegung, die sie in ganz Deutschland bis in das kleinste Dorf trug..3 Der Notenbestand der Kirchengemeinde Eglofs mit ihrem Kirchenchor enthält einen großen Bestand dieser Notenhefte, weist aber sehr geringe Gebrauchsspuren auf.

Dass hierbei der 'Ranzengeiger' Munding aus Gebrazhofen eine besondere Rolle spielte, sei hier erwähnt.  Er hatte nämlich mit seiner beißenden Kritik an der sicher nicht stets perfekten Musik aus Chor und Orchester die Waltershofener gewaltig erzürnt.  "Sie verklagten ihn. Er wußte aber das 'Waltershofener Amt' vor Gericht so trollig, mit all seinem Schreien und Blasen, Fideln und Flöten, unter allerlei Verzerrung des Leibes und  mit Händen und Füßen schaffend, den Richter als echter Komiker mit solchem Nachdruck und Ausdruck vorzuführen, daß das ganze Gericht in Lachen ausbrach und der Munding nur einen Verweis erhielt."2

Weitere Entwicklung

Der Siegeszug der kräftigeren und mit Ventilen leichter zu spielenden Blasinstrumente im weltlichen Bereich, auf dem Tanzboden und bei der Umrahmung von Festen, war bei dieser Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Vielfach halfen bei der Gründung der Blaskapellen und bei der Ausbildung der Musiker viele Dorfschullehrer mit. Auch die neue Militärausbildung in den Garnisonen des württembergischen Königreiches mit ihren Militärkapellen trug mit zur Ausbildung der Musiker bei. Die Lehrer waren es auch, die als Dorforganisten, Chorleiter in Kirche und im weltlichen Bereich dazu die Leitung der neuen Blaskapellen bis weit in das 20. Jahrhundert hinein übernahmen. Ein typisches Beispiel dazu ist die Gründung der Eglofser Musikkapelle. 

Auf evangelischer Seite ist dazu erwähnenswert, dass im Zusammenhang mit der Blasmusikbewegung unter dem Einfluss der Erweckungsbewegung seit 1869 in den christlichen Jungmännervereinen in Württemberg Posaunenchöre gegründet wurden. Sie folgten dem Motto: "Dienet dem Herrn mit Posaunen." Hier bedeutet Blechmusik auch Gotteslob. 

"Der Notenbestand des Klosters Gutenzell zeigt deutlich den aufgezeigten Übergang vom Klosterorchester zur Blaskapelle. Nach Auflösung des Klosters und der Abschaffung der glanzvollen Kirchenmusik stiegen die Spieler auf reine Blasmusik um und spielten nun Opernouverturen und Tänze, z.B. in der Besetzung für je 2 Klarinetten, Flöten, Trompeten, Hörner und Fagotte mit Trommel. Selbst ein Serpent fand dort Verwendung, ein schlangenförmig gewundenes, ca. 2 Meter langes Holzblasinstrument, das ursprünglich in der Kirchenmusik, seit dem 19. Jahrhundert auch in der Militärmusik verwendet wurde und seit dieser Zeit Klappen besaß."1

Auch im Rottenburger Gesangbuch zeigt sich nach der Erstausgabe von 1828 in der zweiten von 1865 diese gewisse Rückbesinnung zur Gregorianik, wo der Bischof im Vorwort schreibt: "So werden diese Lieder mit dem gregorianischen Choral, wie früher so auch jetzt, eine schöne Harmonie in unsern Gotteshäusern bilden, da es derselbe Geist ist, von welchem beide eingegeben sind." Es sind aber auch dabei viele gemütvolle, volkstümliche Marienlieder mit aufgenommen, die eine Wendung hin zum Volke andeuten. Die Herz-Jesu-Lieder und die Einführung der Maiandachten sind ebenso Ausdruck dieser Strömung, die sich gegen eine stärker rationale Auslegung der Theologie richtet. 

Ton: "Maria ging in Garten", aus Vorarlberg, gesungen vom Bregenzer Viergesang

Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) wird der gregorianische Choral aber wieder weiter zurück gedrängt. Die reichen Orchestermessen erfahren eine gewisse Einschränkung. Dagegen wird der Wert der überlieferten Kirchenmusik als Schatz betrachtet. Die Kirchenchöre werden dabei gestärkt. Richtschnur für die Auswahl der Kirchenmusik ist nicht mehr der Stil, sondern ihre jeweilige liturgische Funktion, wobei Musiker und Chor einen wichtigen Teil der Gemeinde darstellen.

Seit den 60er Jahren gelangte ein neuer Typus des geistlichen Liedes über die Jugendgottesdienste in die Kirchen. Nachahmungen des Negro Spirituals, geistliche Folksongs und Lieder der jugendlichen Protestbewegung wurden aufgegriffen und mit "Rhythmische Kirchenmusik"  umschrieben. Dagegen erhob sich der Anspruch einer neuen "Musica sacra" mit einem durchkomponierten "musikalischen Gottesdienst".

Im "Gotteslob" von 1975, dem neuen Kirchengesangbuch des Bistums Rottenburg, sind verschieden Lieder umgedichtet und wieder dem eher strengeren, theologischen Sinne angepasst. Es bleibt der Grundsatz, dass die Kirchenmusik Ausdrucksform der Gemeinde bei der liturgischen Mitwirkung ist, bei der Volkssprache und Volksgesang Eingang finden können wie auch evangelische und zeitgenössische Musik. So wirken heute auch verschiedene Stubenmusik- und kleine Bläsergruppen bei Gottesdiensten mit. 

Ton: Festliches Bläserstück, gespielt vom Moosquintett Diepoldshofen, H. König

Quellen 
1 (Text) Büchele, Berthold, in: Festschrift zum 4. Landesmusikfest 3. bis 6. Juni 1994, Wangen im Allgäu. + Büchele, B.: Ratzenried. Eine Allgäuer Heimatgeschichte 
2 Schmid, Wunibald: Allgäu, meine Heimat, Christazhofen 1931. S. 307
3 Die Musik in Geschichte und Gegenwart: Caecilianismus, S. 6. Digitale Bibliothek Band 60: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, S. 11114
Wills, Ludwig - Abb.1 aus "Hermann der Lahme", Graf von Altshausen, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg, 1996 - dazu eigenes Bildmaterial - Das große Musiklexikon, Herder

| Musik im Allgäu - Startseite | zum Museum | © W. Benz |