Militärmusik  

Dass der Gebrauch von Instrumenten in Kriegen schon lange üblich war, bezeugen nicht erst die in der Bibel genannten Trompeten von Jericho. Blasinstrumente in Verbindung mit Schlaginstrumenten traten schon in der Antike als Signalinstrumente auf. Seit dem Hochmittelalter führten Pfeifer und Trommler die Fußtruppen in die Schlacht. Zu einem "Spil" eines Landsknechtsfähnleins gehörten je ein Trommler und ein Pfeifer. In der Schweiz war sogar der Dudelsack als "Sackpfeife"  bis 1530 Militärinstrument.

Nun brachte die Herrschaft Napoleons in Europa über die Neuordnung der Länder eine schrittweise Vereinheitlichung der neuen Königreiche Bayern und Württemberg zu Flächenstaaten. Klöster, kleine Herrschaften und Reichsstädte wurden aufgelöst und den neuen Staaten eingegliedert. Schwierig war die politische Situation im westlichen Allgäu. Zunächst wurde1806 Bayern ein Korridor von Memmingen bis Lindau durch württembergisches Gebiet zugeschlagen. Wangen, Deuchelried, Ratzenried, Leutkirch u.a. wurden bayrisch, Eglofs über Isny, Großholzleute württembergisch. Der bayrische Staat bemühte sich dabei besonders um eine Integration der neu erworbenen Gebiete. Auch nach außen mussten die Grenzen gegen Württemberg und Vorarlberg gesichert werden. 

      
Instrumente der Landwehrmusik, eine "Türkische Musik", Obergünzburg, Heimatmuseum

So wurden in einer Reform der bayerischen Armee die regulären Regimenter auf alle größeren Städte und die 1807 neu aufgestellte Landwehr - uniformierte Einheiten aus den Einwohnern eines Ortes - auf ein dichtes Netz von Kleinstädten, Märkten und ländlichen Zentren verteilt. Sämtliche Regimenter und Landwehrkompanien bekamen Musikkorps, die verschiedene Funktionen erfüllen mussten. Einige kirchliche Feiertage wurden abgeschafft oder vereinheitlicht (Kirchweih). Dafür traten staatliche Feiertage an ihre Stelle wie Geburts- und Namenstage von König und Königin. Diese Feiern gebührend zu begehen war dann Aufgabe dieser Landwehrmusiken.

Diese Landwehrmusiken erlebten nur eine kurze Blüte, denn bereits König Ludwig I. entzog ihnen die staatliche Unterstützung und beschränkte sich auf die eigentlichen Regimentsmusiken. Doch als zivile Kapellen bestanden diese Landwehrmusiken weiter. Sie wurden weiter an den kirchlichen und anderen öffentlichen Feierlichkeiten beteiligt. Weiler besaß 1807 die größte Kapelle des damaligen Illerkreises, sicher nicht, weil Weiler besonders finanzkräftig war. Hier spielte auch eine Rolle, dass im ehemaligen Vorderösterreich musikalisch für den neuen Staat Bayern geworben werden sollte.

In der Besetzung sind drei verschiedene Gruppierungen zu unterscheiden. Die Harmoniemusiken setzten sich hauptsächlich aus Holzblasinstrumenten zusammen. Sie bildeten die Fortsetzung der bisherigen Pfeifer- und Trommelmusik des Militärs durch einen weiteren Ausbau der Holzblasinstrumente mit der Deutschen Schalmei, später die Oboe, die durch die kräftigere Klarinette abgelöst wurde. Die zweite Gruppe bildeten die Türkischen Musiken, die "Janitscharenmusik" ,die um 1770 Mode geworden waren.  Sie entstanden aus der Erweiterung der Harmoniemusik durch das türkische Schlagzeug: Schellenbaum, Große Trommel und Becken. Diese Instrumente hatte man in den vergangenen Türkenkriegen kennen gelernt. Triangel und Kleine Trommel ergänzten weiter. Selbst Mozart verwendete in seiner Oper "Entführung aus dem Serail" diese Instrumentierung. 

Die Noteninventare einiger Archive belegen auch in den württembergischen Musikgruppen eine solche Türkische Musik. Anton Obermayer, Dirigent der 1790 gegründeten Bergatreuter Musikgesellschaft, ergänzte selbst schon bestehende Musikstücke  mit Schlagwerk zu "türkischer Musik". In Kisslegg  wird sie 1796 erwähnt. Eine weitere frühe Bläsergruppe unserer Gegend, 1820 von Munding in Leutkirch gegründet, spielte ebenfalls "Janitscharenmusik". In Ravensburg, 1802-1810 bayrisch, später wieder württembergisch, wurde noch länger die Große Trommel mit weiß-blauen Zacken der vorherigen bayrischen Landwehrmusik geschlagen. 

In einer dritten Besetzung bestanden neben der Harmoniemusik und der Türkischen Musik reine Blechmusikgruppen, die in der Kirchenmusik mit zwei Trompeten, zwei Hörnern und einer Posaune ohne Schlagzeug in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Aufzugsmusik einen festen Platz hatten. 

Standkonzert einer Militärkapelle
(aus der Presse 1891) mit Märschen, aber auch Ouvertüren und konzertante Tanzmusik: Polka, Walzer, Schottisch u.a.

So ist der besondere Einfluss des Militärs in der Grenzregion zu Bayern bei der Gründung von weltlichen Musikkapellen nicht zu unterschätzen. Auch weiterhin blieb das Militär Fortbildungsmöglichkeit für die Musikanten der Musikkapellen, gab Anregungen und Möglichkeiten zum Notentausch, wobei auch sicher Tanzmelodien über das handschriftliche Notieren den Weg durch das Land  fanden. Als eine Erneuerer der Militärmusik gilt Hans Felix Husadel.

Literatur
Focht, Josef: Die Militärmusik. In: Musik in Mittelschwaben einst und jetzt. Schriftenreihe des Bezirks Schwaben, Bd. 23, 2000.
Tremmel, Erich: Die Entwicklung der Blaskapellen in Bayrisch-Schwaben im 19. Jahrhundert. In: (s.o.)
Focht, Josef: Die Blasmusik - eine schwäbische Besonderheit der Laienmusik. In: (s.o.) 
s. auch: Büchele: "Ratzenried"

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