Von der Entwicklung des Tanzes
Getanzt und gesungen wurde sicher immer, seit es Menschen gibt. Zeugnisse davon gibt es bei allen Völkern und vielen historischen Belegen. Auch in Europa spielte sich Tanzen vor allem im bäuerlichen Leben im jahreszeitlichen Rhythmus ab, wie er das Leben auch von der Wiege bis zu den Totentänzen begleitete, aber ebenfalls bei magischen Riten eine wichtige Bedeutung hatte. Fastnachtstänze gehen weit in diesen Bereich zurück. Im 15. Jahrhundert trennten sich infolge der sozialen Umschichtung stärker Volks- und Gesellschaftstanz, den schließlich der Adel im Absolutismus bis in die feinsten Vorschriften reglementierte. Auch bei den selbstbewussten Städtern wurde das Instrumentarium umfangreicher. Stadtregierung und Zünfte regelten zum Teil sehr streng das Tanz- und Musikleben innerhalb ihrer Stadtmauern.
Interessanterweise haben wir die wenigen schriftlichen Zeugnisse aus der Zeit des Barock (Absolutismus) oft nur aus Gerichtsprotokollen. Es wird bei aller barocken Pracht oft vergessen, dass das einfache Volk durch viele Verbote sich kaum entfalten konnte, ja unter absolutistischer Willkür zu leiden hatte. Aus Siggen (heute in Argenbühl) erfahren wir, dass ein Anton Schäfer "gegeiget und gepfiffen" habe (Querpfeife), und bei anderer Gelegenheit sei "nur die Maultrommel gebraucht" worden. Es ging fast nie ohne Genehmigungskosten oder Strafe ab, d. h. dass an der Kultur des Volkes die Obrigkeit damals noch immer gut mitverdient hatte. Man tanzte dann auch nicht mehr um die Dorflinde, sondern besaß in den Dörfern verschiedentlich Tanzhäuser, die "Tanzlauben", die meist dazu Wirts- und auch Gerichtshäuser waren. Daneben suchte man die Gelegenheit zum Tanz in den Spinnstuben, den Kunkelstuben, was aber auch von der Geistlichkeit argwöhnisch wegen der gefährdeten Sittlichkeit betrachtet wurde. Die "ärgerlichen Tänze, Schleifer oder Walzer genannt", werden in Siggener Protokollen 1780 aufgeführt, wo festgestellt wurde, "dass die Hog- und Kunkelstube zwar erlaubt, wo jedes Geschlecht besonders zusammenkommt, zu nachts aber sollen die Weibsbilder zu Hause bleiben." Und man wolle neben dem Verbot des Tabakrauchens in den Ställen und Scheunen die "ärgerlichen Schleifertänz verbotten und jeden davon abgewarnet haben, widrigenfalls sich jedem selbsten beimessen müsse, wenn er ab dem Tanzplatz mit Spott und Schand fortgeschafft werde".
Ein "Strohschneider" weist auf das ländliche Arbeitsleben hin (Scheidegg, 1809) Mit der Demokratisierung im 19. Jahrhundert vollzog sich allerdings auch ein entscheidender Wandel nicht nur in der Gesellschaft und bei den Musikinstrumenten, sondern auch beim Tanz. Internationales in Stadt und Land Aber auch über die Grenzen der sozialen Schichtung wanderten Instrumente, Lieder, Musik und Tänze. Tanz- und Musikkultur aus den niederen Volksschichten konnten zu Moden an den Höfen werden, ob es der Dudelsack war, der an den französischen Höfen Mode "chic" wurde oder der Kontratanz, der seine Wurzeln in der Landbevölkerung hatte. Mit dem Erstarken des Bürgertums im 19. Jahrhundert setzte eine fast gegenläufige Bewegung ein. Zunächst waren es die Städter, die höfische Kultur als Vorbild nahmen und entsprechend aber auch veränderten. Aus einer Tanz-Anzeige aus dem Wangener Argen-Boten von 1841 kann sehr schön entnommen werden, wie z.B. die einst höfische Tanzmode nun von den Bürgern der Stadt gepflegt wurde.
Selbst Russisches wurde übernommen (s. "Cosaque" in der Anzeige). In verschiedenen Notenbücher tauchen Namen wie "Kosak" (Weiler um 1750) oder "Russische Maersche" (Scheidegg, 1808) auf.
Um 1900 wurden "Lanciers" und "Francaise" auch noch in Kisslegg unterrichtet und waren alten Leuten von ihren Eltern auch in Eglofs bekannt. Das Menuett, kunstvoller Tanz des Adels, konnte sich jedoch als Tanz in der Stadt nicht allzu lange halten, während man es am steifen Württembergischen Hof in Stuttgart und Wilhelminischen Schloss in Berlin um 1900 noch pflegte. Als Musik ist ein Menuett, von Stubenmusiken vorgetragen, bei festlichen oder kirchlichen Anlässen auch heute noch in der Stadt und auf dem Lande zu hören. Auf dem ländlichen Tanzboden war ebenfalls die Zeit weitergegangen. Beherrschend blieb zunächst bis etwa um 1850 der Ländler. Mit ihm waren der Schottische und die (böhmische) Polka zunächst die wichtigsten Tänze. Auch die polnische Mazurka und die Polonaise fanden ihren Weg über die Städte aufs Land. Dazu war die "Francaise" ebenfalls als früherer höfischer Tanz über die Städte ja bis in die Allgäudörfer gekommen. Noch im Jahre 1900 wirbt ein Tanzlehrer in Kisslegg für den "Tanz-Unterricht" auch in "Francaise und Lanciers".
Zunächst verdrängten die Tänze aus Amerika mehr und mehr die inzwischen "eigenen" traditionellen Tänze in den Städten, der Foxtrott, Shimmy, Charleston, Boogie-Woogie aus dem Norden - Tango, Samba und Rumba aus dem Süden. Als "undeutsch" im 3. Reich verfemt, waren sie aber nicht mehr gänzlich zu verdrängen. Die Schellackplatten-Sammlung des Archivs aus der Region ist dafür ein deutliches Spiegelbild, das ebenso die Gesellschaftstänze Onestep und Twostep wenigstens als Musikbeispiele aufzeigt. Der Walzer hielt sich bei den vielen Tanzmoden mit Twist, Rock 'n Roll, Mambo, Bossa Nova u.a. erstaunlich gut und zählt bis heute mit dem Langsamen Walzer, Tango, Slow-Fox, Quickstep zu den Standard-Tänzen der Tanzturniere, während Samba, Cha-Cha-Cha, Rumba, Paso doble, Jive zur Lateinamerikanischen Disziplin gehören. Bei den Volkstänzern jedoch leben die obengenannten Tänze des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts weiter. Quellen
|