"Jetzt wolln mir eins singen" -
| Von der
Geschichte eines großen Fundes | Liedgattungen
| Das historische, politische Lied,
Von der Geschichte eines großen Fundes Im Allgäu-Schwäbischen Musikarchiv des Geschichts-
und Heimatvereins in Eglofs1 mehren
sich erfreulicherweise in den letzten Jahren die Schätze vergangener
Musikkultur unserer Westallgäuer Landschaft. Einen großen Anteil
daran haben die Noten der Blaskapellen, die aus dem 19. Jahrhundert in
erster Linie in handschriftlicher Form vorliegen. Aus ihnen können
viele kleine Musikgruppen heute ihre Stücke entnehmen, die zum Tanz
wie früher oder zur Unterhaltung von den verschiedenen Stubenmusikgruppen
oder kleinen Bläserbesetzungen wieder gespielt werden. Daneben finden
sich in Sängerfamilien oder auf Flohmärkten alte, gedruckte Liederbücher.
Sie stellen aber im Liedgut jeweils eine besondere Auswahl dar, die auf
die Bedürfnisse eines Chores oder von Schulen zugeschnitten wurde.
Sehr viel seltener werden Lieder in handschriftlicher Form entdeckt, in
der sie als Gedächtnisstütze für das Singen zu Hause oder
im kleinen Kreis verwendet wurden. Solche Liedaufzeichnungen geben uns
heute eher einen Überblick über das wirklich vom Volke gesungene
Liedgut. Aus unserem Jahrhundert liegen bereits mehrere solcher Sammlungen
vor, und sie enthalten auch Lieder, die der meist idealistischen, moralischen
oder politischen Zensur bei üblichen Volksliedsammlungen in gedruckter
Form zum Opfer fielen. Was bei den Hoschtuben, dem geselligen Beisammensein,
im letzten Jahrhundert im Westallgäu allerdings nun wirklich gesungen
wurde, blieb bisher unbekannt. Sollte nun der Hinweis von Kathi Maurus
aus Röthenbach (Schmalenberg an der Argen) auf solche handschriftliche
alte Liederbücher wirklich dieser Glücksfall sein? Wie oft hatte
man schon Andeutungen über Bücher und Quellen gemacht, die sich
bei genauer Untersuchung als Duplikate von Bekanntem herausstellten. Aber
bei der ersten Durchsicht der angefertigten Kopien kündigte sich ein
großer Glückstreffer an, der sich noch vergrößerte,
als der Bewahrer dieser Sammlung, Martin Mader aus Happareute, aufgesucht
werden konnte. Ich durfte dabei eine Persönlichkeit kennenlernen,
die sich als aktiver Musikant und Sänger schon einen Namen gemacht
hatte und aus dieser Musik die entscheidende Kraft für sein Leben
gewinnen konnte. So manches Lied sang er im Juni 1995 fast noch auswendig
vor und begleitete es auf seiner Handharmonika, obwohl er damals schon
fast 92 Jahre alt war. Martin Mader , der am 8.12.1903 geboren wurde, verstarb
am 20. Februar 1996.
Vielleicht hatte sich Martin Mader etwas geniert, mir diese Sammlung zu übergeben. Das Heft mit 53 Liedern und 115 "Ränzla" (=Schnadahüpfel) enthält nämlich auch einige recht derbe Lieder bzw. Vierzeiler. Manche der Lieder sind in den Handschriften doppelt und dreifach aufgeführt. In der Mitte des 3. Buches befindet sich die Jahreszahl 1914. Es ist anzunehmen, dass nicht alle Lieder im gleichen Jahr aufgeschrieben wurden, weshalb die Datiertung der Lieder vom "Eröffnungsjahr" der Handschrift ab etwas später angenommen werden kann, bzw. beim dritten Buch früher und später.
Allgemeine Übersicht - Liedgattungen
Das historische, politische Lied, Soldaten- und Kriegslieder Es ist uns kaum noch bewusst, dass dieser Bereich früher einen solch breiten Raum eingenommen hat. Am bekanntesten dürfte noch folgendes Lied sein: Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten - so kennt man das Lied aus der Zeit der aufkommenden Freiheitsbewegung vom Ende des Absolutismus im 18. Jahrhundert. Der Inhalt des Textes war schon bei Walther von der Vogelweide um 1200 bekannt. Andererseits war das Bürgertum Mitte des 19. Jahrhunderts empfänglich für den aufkeimenden Nationalismus, der sich in Vorstellungen von einem starken Deutschen Reich im Zeitalter des Imperialismus immer mehr durchzusetzen begann. Die vielen Soldatenlieder berichten davon in einer deutlichen Sprache: Aus dem nächsten Lied erzählt die 2. Strophe mehr vom Krieg 1870/71 gegen Frankreich: Nur wenige Lieder beschreiben das Leid eines Krieges:
Nachdem man ihn verbunden und versorgt und er die Augen wieder aufgeschlagen hat, spricht er mit leiser Stimme:
Das Sterben für Volk und Führer, wie es später die Propaganda im 3. Reich aufgriff, hat wohl seine Wurzeln auch in in solchen nationalistischen Liedern gehabt. Ähnlich sah es mit der Ausgrenzung anderer Minderheiten aus:
Unter der Überschrift Ein gefangener Turkos 1870, wohl ein Algerier oder Marokkaner, der auf der Seite der Franzosen gekämpft hatte, lesen wir:
Es wäre sicher verfehlt, aus diesen Texten auf eine besondere nationalistische Tendenz im Allgäu zu schließen. Denn Umschlagplätze für diese Art von Liedern waren die Garnisonen beim Militärdienst, aus denen sie ihren Weg in die Liederbücher nahmen. Aus den späteren Wahlergebnissen Ende der Weimarer Zeit kann entnommen werden, dass die ähnlichen Parolen der Nationalsozialisten im Allgäu auf wenig fruchtbaren Boden gefallen waren, sonst hätte sich die Bevölkerung nicht so stark für die christliche Zentrumspartei ausgesprochen. weiter Teil 2 Fußnoten:
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