Alfred Quellmalz (1899-1979)
Alfred
Quellmalz als
Student
Bei seiner Arbeit in Freiburg
1928
In Südtirol
1941
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Alfred Quellmalz wurde am 25.10.1899 in Oberdigisheim am Rande der
Schwäbischen Alb geboren. Dort war sein Vater, Dr. Gustav
Quellmalz, Distriktsarzt im Oberamt Balingen. 1900 zog die
Familie nach Isny um, wo sein Vater (gest. 1935) als Stadtarzt wirkte.
Nach dem Kriegsdienst 1917/18 an der Dolomitenfront, der ihm eine
schwere Gasvergiftung einbrachte, studierte Alfred Quellmalz ab 1921
Musikwissenschaft, Germanistik und Volkskunde bei den namhaftesten
Universitätslehrern dieser Fächer in Halle, Leipzig, Berlin,
München und Freiburg. Eine vollständige
praktisch-musikalische Ausbildung ging parallel.
Seiner Veranlagung und
seinen innersten Wünschen entsprechend, wurde er 1928
wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Volksliedarchivs (DVA) in
Freiburg i. Br.. 1932 promovierte er bei Wilibald Gurlitt an der
Universität Freiburg über die Weise des
Elslein Liedes (ein "Beitrag zur Geschichte des älteren deutschen
weltlichen Liedes")
mit "summa cum laude". Dr. Quellmalz hatte im Volksliedarchiv, das sich
bisher vor allem mit den Volksliedtexten befasst hatte, eine
Musikabteilung mit Musikkatalog aufgebaut. In der großen, vom DVA
veranstalteten wissenschaftlichen Ausgabe der Deutschen Volkslieder
rückte der Musikteil durch die zähe und erfolgreiche Arbeit
von Dr. Quellmalz zur Gleichberechtigung mit dem Textteil auf.
Darauf konnte dann Walter Wiora weiterbauen.
Am 1. April 1937 wurde Dr. Quellmalz an das Staatliche Institut
für Musikforschung in Berlin berufen, zunächst als Archivar
der Abteilung Volksmusik, 1938 als deren Leiter bis zur kriegsbedingten
Stilllegung des Instituts 1945. Auch an diesem Institut hat Quellmalz
Entscheidendes geleistet. Die Abteilung Volksmusik war aus
verhältnismäßig kleinen Anfängen hervorgegangen.
Quellmalz baute die Fachbibliothek und die Kataloge aus und legte ein
Volkstanzarchiv an. Die Ausführung des größten Planes,
die Schaffung eines modernen Melodienkatalogs, verhinderte der zweite
Weltkrieg. Wie weitsichtig Dr. Quellmalz auch sonst für die
Zukunft plante, beweist die Schaffung einer Phonothek, der Erwerb eines
damals erstmalig in Serie hergestellten Tonbandgerätes und einer
Filmkamera.
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Bei Aufnahmen in
Südtirol
1941
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Tonbandaufnahmen wurden nun gemacht, nicht
nur in deutschsprachigen Ländern, sondern auch in den damals noch erreichbaren anderen
europäischen Gebieten.
Die modernen Methoden und
Geräte bewährten sich erstmals 1940/42 bei der Sammlung der
Volksmusik in Südtirol. Jetzt begann Dr. Quellmalz jene
mühevolle Arbeit des Aufspürens, Sammelns und
Übertragens der in Südtirol erreichbaren Volksmusik vom
Reschenpass im Westen bis Innichen und Vierschach im Osten, vom Brenner
bis ins Bozener Unterland. Das Neue und Wichtige an dieser Arbeit war,
dass hier ein größeres geschlossenes Siedlungsgebiet mit
einheitlichen wissenschaftlichen Arbeitsmethoden systematisch erforscht
und bearbeitet wurde.
Aber zuerst musste das
Vertrauen gewonnen werden, und auch das Misstrauen gegen die
Aufnahmeapparatur, zumal wenn sie mit Fuhrwerk oder anderen
Hilfsmitteln (Seilzügen) herangeschafft wurden, musste
überwunden werden, bevor die eigentliche Sammelarbeit beginnen
konnte.
Auf 415 Tonbändern wurden etwa 3500 Lieder und
Instrumentalstücke aufgenommen, davon durch Dr. Fritz Bose, den
Mitarbeiter der ersten Zeit, etwa 350. Etwa 200 Lied- und
Notenhandschriften mit annähernd 4000 Einzelstücken wurden
auf 23 Dokumentarfilmen festgehalten. (Dubletten gab es bei rund 1500
Liedern.) Dazu kommen 2000 Lichtbilder von Sängern und Spielern
und nahezu 1000 Personalbögen und Sachbögen, um die
Lebenssituation der Lieder genau zu erfassen.
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(nach der Würdigungsrede von
Prof. Dr. Joseph Müller-Blattau, Saarbrücke anlässlich
der Verleihung des Wolfgang-Amadeus-Mozart Preises 1969 durch die
Leopold-Franzens-Universität, Innsbruck)
Rezension
Nussbaumer, Thomas: Alfred Quellmalz und seine Südtiroler Feldforschungen
(1940-1942). Eine Studie zur musikalischen Volkskunde unter dem
Nationalsozialismus.
StudienVerlag Innsbruck-Wien-München, 2001, ISBN 3-7096-253-9
Dr. Alfred Quellmalz wurde 1969 der Wolfgang-Amadeus-Mozart-Preis durch
die Universität Innsbruck überreicht, bei dem die Urkunde festhielt:
"Die Lebensarbeit von Alfred Quellmalz ist der Aufzeichnung und
Herausgabe des Südtiroler Volksliedgutes gewidmet. Als Sohn eines
bekannten Allgäuer Arztes und Bergsteigers lernte er früh die Berge und
Menschen Südtirols kennen und lieben. Später wandte er als ausgebildeter
Volkskundler und Volksliedforscher der mühsamen Feldarbeit seine Kraft
zu, die bei den Bauern lebendig gebliebenen Volkslieder aufzunehmen und
aufzuzeichnen. Das geschah in einer Zeit, da diese Lieder bereits zu
verklingen begannen und in Vergessenheit zu geraten drohten."
Mit keiner Silbe wird dabei der Zusammenhang angesprochen, in dem diese
Forschungen standen, nämlich dass Quellmalz, Untersturmführer der SS bei
"Ahnenerbe" unter Heinrich Himmler, als Leiter einer
Forschergruppe den Auftrag hatte, das Lied- und Musikgut der Südtiroler
vor ihrer Umsiedlung ins "Deutsche Reich" und später in den
noch zu erobernden Osten aufzunehmen, um es dort weiterhin als wertvolles
germanisches Kulturgut in die völkische Ideologie einbinden zu können.
Thomas Nussbaumer zeigt hier in seiner überarbeiteten Doktorarbeit, wie
differenziert die Zusammenhänge zu betrachten sind: wie der
Wissenschaftler Quellmalz verstrickt war in persönliche Ambitionen einer
beruflichen Karriere und damit im Dienste einer politischen Ideologie
stand, die bis hin zu Himmlers Auffassung von den Germanen als
Abkömmlingen überirdischer Wesen reichte. Nussbaumer lässt den Leser
teilhaben an diesem persönlichen Schicksal von Alfred Quellmalz und
schildert seine Herkunft (geb.1899 Oberdigisheim) und Jugend in
Isny/Allgäu, Verwundung im 1. Weltkrieg, sein Studium in Berlin und
seinen beruflichen Aufstieg über die Arbeit im Deutschen Volksliedarchiv
in Freiburg. Schwerpunkt des Buches bleibt die Darstellung der
Forschungstätigkeit von Quellmalz in Südtirol, bei der allein schon die
detailliert beschriebene Aufnahmetechnik mit Tonbändern im kalten Winter
1941 in den abgelegenen Bergdörfern spannend zu lesen ist. Trotz Mangel
an Musikinstrumenten - deutsche Gruppen waren im faschistischen
Italien verboten - gelang es mit allen Überredungskünsten und
Tricks, die einfachen Bauern Südtirols zum Singen und Musizieren vor das
Mikrofon zu bringen. Der Autor stellt daneben die mit Quellmalz
arbeitenden Forscher vor: den Musikwissenschaftler Dr. Bose (Berlin) aus
der ersten Zeit, den Feldforscher und Volkskundler Karl Horak aus
Österreich, den Musikwissenschaftler Dr. Walter Senn aus Innsbruck und
den Tanzforscher Dr. Richard Wolfram aus Wien. Generalstabsmäßig wurde
hier zum ersten Mal in der Geschichte flächendeckend eine volkskundliche
Forschungsarbeit geleistet, wie es sie seither wohl nicht mehr gab. Und
wiederum konnte sich niemand aus dieser Gruppe einer Einbindung in
politische Zielsetzungen entziehen, bei denen es das deutsche Volkstum zu
stärken galt. Diese damals ebenfalls praktizierte Volkstumspflege über
besondere Seminare widersprach wiederum den herrschenden italienischen
Bestrebungen, möglichst viele Südtiroler zu italienisieren.
Durch den Zusammenbruch 1945 wurden die Dokumente zerstreut und zahlreiche
vernichtet. Quellmalz konnte an die Herausgabe der Südtiroler Lieder erst
später gehen, denn seine Verbindung mit dem Nationalsozialismus war einer
Fortsetzung seiner beruflichen Karriere im Wege. So erhielt Quellmalz 1947
als Tontechniker in Vorarlberg Verdienstmöglichkeiten zur Versorgung
seiner Familie in Hard/Vorarlberg, 1950 als Rundfunkmitarbeiter in
Tübingen. 1951-53 bekam er einen Auftrag des baden-württembergischen
Kultusministeriums, das "in mündlicher
Überlieferung lebende Volksgut" in seiner alten Heimat im Allgäu zu
erforschen. Für die regionale Musikforschung schrieb Quellmalz dazu
wichtige Beiträge zu Tanz und Lied und gab sein Wissen in Vorträgen
weiter. Bis 1959 war er dann Leiter des Jugendrotkreuzes in Stuttgart,
bevor er wieder mit voller Kraft an sein Lebensziel gehen konnte: die
Herausgabe eines geplanten vierbändigen Liedwerkes. Schließlich,
rehabilitiert, erschien 1967 der erste Band, 1972 und 1976 zwei weitere,
während der Abschlussband mit einer wissenschaftlichen Einordnung der
Lieder, dessen Struktur schon konzipiert war, durch seinen Tod am 5.
Dezember 1979 (in
Hauset/Belgien) nicht mehr zur Ausführung kam. Sie zeigt jedoch den
subjektiven und historisch bedingten Zugang zu seinem Forschungsobjekt
Volkslied und Volksmusik. Die Frage bleibt allerdings offen, wie weit eine
objektive Sicht überhaupt möglich ist, an die man in Bozen in den
achtziger Jahren noch geglaubt hatte.
In Bozen sollte nach dem letzten Willen von Quellmalz auch sein Nachlass
aufbewahrt werden. Dort wurden 1987 seine Forschungen Inhalt eines
wissenschaftlichen Seminars, bei dem Karl Horak in seinem Vortrag,
"Was nicht bei Quellmalz steht",
die Diskrepanz zwischen ihm und Quellmalz zum Ausdruck brachte, die
Nussbaumer, fein nuanciert, schon bei seinen Ausführungen
eingeflochten hatte. Einen weiteren Schritt zur Aufbereitung des
riesigen Materials bedeutete ein 1990 von Wiegand Stief verfasster
Registerband. Und es war der Autor selbst, der ab 1994 bei der
Digitalisierung und EDV-Verarbeitung der in Innsbruck lagernden
Tonbänder mithalf, die Südtiroler musikalischen
Schätze aufzubereiten. 1999 erschien schließlich der zehnte
Band (COMPA) des Österreichischen Volksliedwerkes: Volksmusik in Südtirol. Tänze und
Spielstücke aus der Tonbandsammlung Dr. Alfred Quellmalz (1940-42).
So ist das Buch eine eindrucksvolle Schilderung des bewegten
Forscherlebens von Alfred Quellmalz, ein Beispiel für die
Instrumentalisierung von Kultur im Nationalsozialismus, ein Zugang zur
Methodik und zu Zielen der Volkslied- und Musikforschung damals und heute
und lässt uns dabei die besondere Geschichte Südtirols nahe kommen. Es
ist deshalb nicht nur den Allgäuern und Schwaben zu empfehlen, denn
Quellmalz hat ihnen neben seinem international anerkannten Werk auch den
"Roien" wiedergeschenkt, einen in Volkstanzkreisen wieder beliebten
Reigentanz, den er um 1950 noch bei Isny hatte aufzeichnen können.
Wolfram Benz, im Oktober 2001
Quellmalz, Alfred: Von alten Allgäuer Tänzen, in: Das schöne Allgäu, Kempten, 1952/3
- Das Notenbuch der Patriziertochter Helena Barbara Schlegel (Isny), in: Schwäbische Heimat, Heft 6, 1953
- Volkslied und Volkstanz im Allgäu, in: Schwäbische Heimat, Heft 4, 1953
Quellen
Städtisches Archiv Isny; Familie Ing. Klaus Quellmalz, Mainz
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