Raphael Weiß (1713-1779)

Raphael Weiß (mit Taufnamen Josef Franz Xaver) wurde am 10. März 1713 in Wangen geboren und wuchs in dem Haus Eselberg Nr. 5 bei der Spitalkirche auf. Sein Vater, Kaspar Weiß, stammte aus Schönau bei Grünenbach und war Schlosser. Seine Mutter war die Schwester von Rupert Ness, dem berühmten Abt des Klosters Ottobeuren. Diese Verbindung zur Familie des Rupert Ness dürfte auch der Grund gewesen sein, dass Raphael Weiß seinem Onkel ins Kloster Ottobeuren nachfolgte, dort in die Klosterschule eintrat, 1730 seine Profess ablegte und 1737 zum Priester geweiht wurde.

Wie sein Vorläufer Honorat Reich, der ebenfalls aus Wangen stammte, verlegte sich Raphael Weiß aufs Orgelspiel und auf die Komposition. Sein Lehrer im Orgelspiel war zunächst vermutlich eben dieser Honorat Reich. Raphael Weiß entwickelte sich bald zu einem "hochberühmten Meisterorganisten" und Orgelsachverständigen. Zusammen mit dem ebenfalls aus Wangen gebürtigen Organisten und Orgelkenner  P. Placidus Christadler (1709-1767) wirkte er an der Disposition der berühmten Ottobeurer Orgel mit. Von Christadler sind leider keine Werke erhalten, doch muss er ebenfalls Komponist gewesen sein, denn er war der Kompositions- und Orgellehrer des in Wurzach geborenen P. F. X. Schnizer.

Auch in der Komposition war Honorat Reich Vorbild für Weiß. Das vermutlich früheste erhaltene Werk von Weiß ist das "Sub tuum praesidium", das am 20. Mai 1995 in Wangen wieder aufgeführt wurde. Nach diesem schlichten Werk wagte sich Weiß bald an monumentalere Kompositionen heran.  Für das 50jährige Professjubiläum seines Onkels Rupert Ness, dessen Hauptkomponist er geworden war, schuf er 1738 ein Requiem (das der Wangener Peter Lorch untersucht und bearbeitet hat) sowie eine  Messe für sechs Solostimmen, achtstimmigen Chor, Streicher und vier Trompeten und Pauken, die in ihrer Monumentalität an die Jubiläumsmesse von Reich heranreicht.

Seine Anhänglichkeit und Dankbarkeit Honorat Reich gegenüber äußerte sich in der Komposition einer Litanei vom Namen Jesu, die er 1741 seinem Vorbild widmete. Einem anderen Wangener Mönch, dem Novizenmeister Gregor Scherich, widmete er den 50. Psalm (1745). Schließlich ist aus dem Jahr 1747 eine Grabmusik erhalten, die er vermutlich für den Karfreitag komponierte.

1750 nahm er zusätzlich Kompositionsunterricht bei dem Irseer Mönch Meinrad Spieß, der Verfasser einer epochemachenden Kompositionsschule war und durch seine Kontakte mit vielen namhaften Komponisten seiner Zeit - u. a. mit MiezIer, der seinerseits mit Bach in Verbindung stand - über das überregionale Musikschaffen bestens informiert war. Aus dieser Zeit ist eine Sequenz zum Fest des Hl. Benedikt (1751) bekannt. Wie nah er stilistisch seinem Lehrer Meinrad Spieß stand, zeigt die Tatsache, dass erst kürzlich ein "Stabat mater", das bisher Spieß zugeschrieben worden war, als ein Werk von Weiß identifiziert wurde. Wie Reich und Spieß vertrat auch Weiß in der Kirchenmusik einen eher konservativen Musikstil zwischen schlichter Homophonie und gediegener Polyphonie und bezog nur behutsam das damals moderne konzertante Prinzip in seine Werke ein.

Zu einem weiteren Schwerpunkt im kompositorischen Schaffen von Weiß wurde die Oper. Zwischen 1743 und 1762 komponierte er neun Schauspielmusiken, deren Musik leider verschollen ist. Dank seiner großen musikalischen Begabung war Raphael Weiß nicht nur als Organist und Komponist tätig. Ihm wurden auch die wichtigen Aufgaben des Musikinstruktors und Chordirektors im Kloster Ottobeuren übertragen.

Wie es damals üblich war, versuchten sich die Mönche auch durch das Abschreiben anderer Werke weiterzubilden. So kopierte Weiß in den Jahren zwischen 1737 und 1772 eine ganze Reihe von Kompositionen, etwa von Caldara, Eberlin, F. X. Richter und anderen. Um 1760 kopierte und bearbeitete Weiß ein 1757 in Leipzig im Druck erschienenes großes Te Deum von C. H. Graun und führte es 1766 zur Einweihung der neuen Ottobeurer Kirche auf. Der Wangener Kirchenchor St. Martin unter der Leitung von G. Westkemper hat das Werk 1981 in Wangen zu Gehör gebracht (allerdings irrtümlich unter dem Namen R. Weiß).

P. Raphael Weiß starb 1779, nachdem er über 30 Jahre eine schwere Krankheit mit Geduld ertragen hatte.

© Berthold Büchele

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