Phänomene
Konvergenz
und Divergenz - zwei biologische Phänomene auch bei Korallen
Werden Hai, Ichthyosaurus und Delphin
von der äußeren Form her miteinander verglichen, so scheinen
die äußeren Gemeinsamkeiten auf eine enge Verwandtschaft hinzuweisen.
Der Hai gehört aber als Knorpelfisch zu einer Unterklasse der Knochenfische,
der Ichthyosaurus zu den Reptilien und der Delphin gar zu den Säugern.
Diese Erscheinung einer ähnlichen Form unterschiedlich strukturierter
Lebewesen wird Konvergenz genannt.
Trotz ähnlicher äußerer
Form mit länglichem Kelchzentrum besitzen die vier abgebildeten großen
Einzelkorallen verschiedene Innenstrukturen: Montlivaltia mit kompakten,
gekörnelten oder berippten Septalflächen und regelmäßig
gezähneltem Septalrand; Ellipsosmilia mit glattem Septalrand,
kompakter, fast glatter Septalfläche und kräftiger Außenhülle
(Epithek); Axosmilia unterscheidet sich von Ellipsosmilia
durch eine kompakte Achse im Kelchzentrum. Diese drei gehören folglich
verschiedenen Arten, aber derselben Unterordnung (Faviina) an. Epistreptophyllum
besitzt unregelmäßig perforierte Septalflächen mit warzenförmigen
Körnchen. Das Kelchzentrum ist schwammig, der Kelchrand scharf wie
bei Ellipsosmilia. Damit gehört Epistreptophyllum sogar
zu einer anderen Unterordnung (Fungiina). Solche Konvergenzen sind
ebenfalls bei ästigen, massigen oder krustigen Formen festzustellen,
weshalb die genauere Bestimmung nur über den inneren Bau weiterführt.
Andererseits entwickeln sich bei gleichen
inneren Strukturen häufig verschiedene äußere Formen. Beispiel
für diese Divergenz sei die Einzelkoralle Montlivaltia. Die
Verjüngung als Folge von Nahrungsknappheit wurde schon beschrieben.
Verkrümmungen durch Veränderung der Unterlage sind ebenfalls
möglich. Die Namensfülle für die verschiedenen Einzelformen
ist deshalb außerordentlich umfangreich. GEYER (1954) schätzte
die Zahl der aufgestellten Arten dieser Gattung auf rd. 100, die verschiedenen
Artnamen auf rd. 400.
Es gibt bei den vielen Funden auch Ansätze
zur Teilung der Einzelkoralle von der massigen Form bis zur völligen
Trennung in eine ästige Variante. Latiphyllia suevica
wird heute diese gelappte Montlivaltiaform benannt. QUENSTEDT schrieb selbst
dazu 1858: "Alle sind nichts als die faltige Entwicklung einer einfachen,
großen, runden Zelle...Doch mag man sich von nun an eines neuen Namens
suevica bedienen...Mir kommen diese Dinge alle wie leichte Naturspiele
vor, ... die man nur in ihren allgemeinsten Zügen benennen sollte."
LAMBELET stellt in seiner Dissertation 1968 fest, daß alles "ökologisch
bedingte Abnormitäten" sind, "die nicht zur Aufstellung einer neuen
Art, bzw. einer neuen Gattung berechtigen." Er unterscheidet nach der Septendicke
nur die Unterarten Montlivaltia obconica subdispdispa und crassisepta.
Die Problematik bleibt auch hier bei der Frage, wie weit es sich um äußere
Einflüsse oder innere Strukturveränderungen handelt.
Nun hat sich das Leben auf der Erde nach
der Evolutionslehre aus Urformen immer weiter auseinanderentwickelt. Ähnliche
Strukturen bei verschiedenen Korallenarten kann man sich so erklären,
daß sie sich aus gemeinsamen Grundformen divergent entwickelt haben.
So gehören zur Unterordnung Stylinina die ästige Art Enallhelia
elegans und die massige Convexastrea sexradiata; sie sind daher
sehr eng verwandt. Die Unterordnung Fungiina variiert noch stärker:
in der gleichen Familie kommen von der Einzelkoralle
Epistreptophyllum
über die sehr seltene Viminohelia seminuda zu Gyrodendron
lobatum (=Latomeandra prolifera) alle Formen vor. Dazugestellt
sei noch eine verwandte massige Art, Microphyllia.
Die weiteren Korallen der Abbildungen gehören
zur Unterordnung Faviina. Daß Placophyllia dianthus mit der
Axosmilia
eng verwandt ist, erkennt man an der Zentralachse. Die seltenen Korallen
der Unterordnung Rhipidogyrina werden hier durch eine riesige Rhipidogyra
und die im schwäbischen Jura von LAUXMANN neu beschriebene Acanthogyra
columnaris OGILVIE 1897 vertreten.
Entwicklung
der Jurakorallen bis heute
Die heutigen Korallen leben nun schon
seit der mittleren Trias rund 210 Millionen Jahren in sehr ähnlichen
Formen und Strukturen mit einer deutlichen Zunahme in der Jurazeit. Zur
Kreidezeit entfalteten sich die Scleractinia bereits zu einer weiteren
Blüte. Während die Ammoniten, Belemniten u.a. zum Ende der Kreidezeit
ausstarben, konnten rund ein Drittel der Korallenarten überleben.
Festzustellen ist dabei bis heute die Tendenz, die Wachstumsgeschwindigkeit
der Polypare und Skelette zu vergrößern. Dies geschieht durch
eine zunehmende Porosität der Septen und Wände. Andererseits
ist eine Verkleinerung der Septen zu kleinen Dornen oder Leisten festzustellen
mit einer Vermehrung der Hart- und Weichteile zwischen den Polyparen. So
verschwanden die kompakten Korallen der Familie Rhipidogyridae
schon um die Mitte der Kreidezeit. Die Stylinidae mit ihren ebenfalls
kompakten Septen wie die Montlivaltiidae (u.a.) starben zu Beginn
des Tertiär aus.
Warum
die rugosen Korallen ausstarben
Wie das große Sauriersterben gibt
es auf die Frage nach den Ursachen des Verschwindens der über 200
Millionen Jahre überaus erfolgreichen rugosen Korallen in der Erdgeschichte
ebenfalls bisher kaum eine befriedigende Antwort. Der Faunenschnitt Ende
des Perm vor rd. 230 Mill. Jahren räumte so gewaltig auf, daß
keine dieser Rugosa ("Runzelkorallen" wegen ihrer runzeligen Außenhülle)
übrigblieb. Erstaunlich ist aber, daß daneben die Octocorallia
seit der Permzeit bis heute durchgehalten haben, von denen die rote Orgelkoralle
am besten bekannt ist. Kann die innere Struktur, der Bauplan, vielleicht
eine Antwort darauf geben?
Bei der Bildung der Skeletts einer einzelnen
Koralle bildeten sich bei den Rugosa zunächst nacheinander achsensymmetrisch
(bilateral) 6 Septen, die zu einer sechsstrahligen, radialen Symmetrie
tendierten. Später aber änderte sich die Symmetrie wieder zu
vier Räumen, die achsensymmetrisch angelegt wurden, weshalb die Rugosa
auch Tetrakorallen genannt werden. Die Heterocorallia waren noch komplizierter
im Septalapparat. Sie lebten nur im Unteren Karbon. Die Octocorallia sind
dagegen, wie der Name sagt, achtstrahlig angelegt. Sie besitzen 8 gefiederte
Tentakel, 8 Mesenterien und 8 Septen. Sie sind mit heute rund 2500 Arten
genauso erfolgreich wie die Scleractinia, die auch wegen der Sechserzahl
Hexacorallia genannt werden.
Nun liegt schon sehr nahe, die komplizierte
Skelettstruktur der Korallen für ihr Aussterben verantwortlich zu
machen. Allerdings starben daneben mit den Rugosa auch die recht einfachen
Tabulata aus, die "Bödenkorallen", die Septen nur im Ansatz als Dornen
ausgebildet hatten. Doch besondere Strukturen und Symmetrien sind schwer
an ihnen festzustellen.
Harmonikale
Forschungsergebnisse
Der reine Naturwissenschaftler wird an
dieser Stelle mit einem Fragezeichen schließen, während der
harmonikale
Forscher weitergeht. Ihn beschäftigen gerade die mathematischen
Zusammenhänge und ihre harmonischen Entsprechungen, die bei den Kristallen
schon längst bekannt sind mit ihren ganzzahligen Proportionen und
bei den Pflanzen mit ihren Blatt- und Blütenstellungen in vielen Publikationen
beschrieben wurden. Die achtstrahlige Symmetrie der Octocorallia ist als
Vielfaches der Grundproportion 2 zu 1 zu deuten. Sechsstrahlige Korallen
mit den Septenzahlen 6, 12, 24 usw., wie sie bei den Jurakorallen auftreten,
sind nichts anderes als Vielfache der Proportion 3 zu 1. Neben diesem rationalen
Zahlenwert besitzen diese Proportionen auch eine offensichtliche harmonische
Qualität. Musikalisch ausgedrückt sind die Achtstrahler Oktavklänge,
die Sechsstrahler Quintklänge. Es scheint sich auch bei den Korallen
zu zeigen, daß in unserer Welt die Tendenz besteht, aus dem Chaos
heraus harmonische Ordnungen zu schaffen, die sich in einfacheren Proportionen
stärker als andere komplizierte Strukturen durchzusetzen vermögen.
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